Hausbesuch ohne Erfolg

Reisen ist nicht immer schön.

Manchmal tut es weh, es bricht dir sogar das Herz.

Aber das ist okay. Die Reise ändert dich. Sie sollte dich ändern.

Sie hinterlässt Spuren in deiner Erinnerung, in deinem Bewusstsein, in deinem Herzen und auf deinem Körper.

Du nimmst etwas mit dir und lässt hoffentlich etwas Gutes zurück.

(Anthony Bourdain)

Gestern musste ich eine Stunde früher im Projekt sein, weil wieder ein Hausbesuch bei der Familie eines Kindes geplant war. Die Sozialarbeiterin und ich fuhren fast zwei Stunden mit dem Bus und mussten mehrmals umsteigen. Schliesslich kamen wir in einem ärmeren Viertel im Süden Quitos an. Diesmal erlaubte ich mir einige Fotos zu machen:

Es war abgemacht, dass uns das Kind bei der Busstation abholt und uns zum Haus begleitet. Doch es kam niemand, wir warteten eineinhalb Stunden vergebens. Ich wurde furchtbar müde und langweilte mich sehr. Irgendwann entschied die Sozialarbeiterin, dass wir auf eigene Faust das Haus aufsuchen. Wir fragten uns bei mehreren Leuten durch und irgendwann waren wir bei dem Haus, in dem die Familie wohnen sollte:

Wir klopften an die Tür und riefen den Namen des Kindes , doch es öffnete niemand. Das Haus war verlassen. Wir warteten nochmals eine halbe Stunde in der Hoffnung, dass doch noch jemand öffnen würde. Als dies nicht der Fall war, machten wir uns auf den Rückweg und fuhren den langen Weg zurück ins Projekt. Ich war ziemlich frustriert, denn wir hatten den ganzen Tag mit Busfahren und warten verbracht.

 

Als wir im "mi caleta" ankamen, waren die Kinder gerade bei den Hausaufgaben. Ich setzte mich zu ihnen und war froh, doch noch etwas Sinnvolles tun zu können. Die Kinder waren echt süss, viele winkten mir zu und riefen: "Ayúdame, ayúdame!" (Hilf mir, hilf mir!)

Manche brauchen aber jeweils gar nicht wirklich Hilfe, sie wollen einfach, dass sich jemand zu ihnen setzt und bei ihnen ist. Andere kommen, weil ihre Eltern keine Schulbildung haben und ihnen nicht helfen können. Dann ist das meine Aufgabe. Manchmal bin ich jedoch ebenfalls überfordert. Ein Mädchen hatte Hausaufgaben in "Sprache". Es war ein Satz gegeben (auf Spanisch natürlich), der je nach Kontext verschiedene Bedeutungen haben kann.  Die Aufgabe war es, alle Bedeutungen aufzuschreiben. Ich selbst war schon froh, dass ich eine einzige Bedeutung davon verstand. :-) Zum Glück ist Marco noch da, ein ecuadorianischer Volunteer. In solchen Situationen kann er besser helfen als ich.

Am Abend war ich ein bisschen frustriert, dass die Sozialarbeiterin und ich den ganzen Morgens vergebens unterwegs gewesen waren. Ein Mitarbeiter erklärte mir jedoch, dass einige Familien sich schämen, wenn jemand in ihr Haus kommt und sieht, in welchen Verhältnissen sie leben. Deshalb sind sie manchmal absichtlich nicht zu Hause, wenn ein Hausbesuch angekündigt ist. Dies gab mir sehr zu denken und ich fragte den Mitarbeiter, weshalb die Sozialarbeiter denn Hausbesuche machen, wenn die Familien dies teilweise gar nicht wollen. Er erklärte mir, dass es sehr wichtig ist, die Umstände und die Situation jedes Kindes genau zu kennen, wenn man nach nachhaltigen Lösungen suchen will. Dazu gehöre auch zu wissen, wie und wo die Kinder wohnen.

Obwohl ich in einem sehr kleinen Haus mit wenigen Kindern arbeite, kann ich hier sehr viel lernen. Für mein zukünftiges Studium und für mein Leben. Es gibt hier viele Situationen, die ich während einem Vorpraktikum in der Schweiz wohl nie angetroffen hätte. Dazu kommt, dass ich dies alles in einer Fremdsprache mache. Einer Fremdsprache, die ich vor meiner Abreise kaum beherrschte. Ab und zu denke ich, dass ich später einmal zurückblicken und stolz auf mich sein kann.  

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Salesianer-Treffen in Guayaquil

Noch nie habe ich einen Menschen erlebt, der im Angesicht des Todes beklagt hätte, zuviel Gutes getan zu haben.

(Giovanni Don Bosco)

Das Sozialprojekt "Chicos de la calle" der Salesianer Don Boscos gibt es in sieben Grossstädten Ecuadors: In Quito, Ambato, Guayaquil, Cuenca, Esmeraldas, San Lorenzo und Santa Domingo. Zurzeit leisten in diesen Projekten gesamthaft 28 Jugendliche einen Volontäreinsatz. Darunter sind Volunteers von ICYE wie ich, junge Männer aus Österreich, die ihren Zivildienst auf diese Weise absolvieren, und ecuadorianische Freiwillige, die alle sehr gläubig sind und aus religiösen Gründen mitarbeiten. Zweimal pro Jahr findet ein Treffen für all diese Freiwilligen statt, so dieses Wochenende in Guayaquil.

Alle Volunteers, die zurzeit in den Projekten der Salesianer Don Boscos arbeiten

Laurin und Tobias aus Österreich, Jakob aus Deutschland, Xenia aus der Schweiz und ich sollten am Freitagabend um 22:10 Uhr in Quitumbe, einer Busstation im Süden Quitos, den Nachtbus nach Guayaquil nehmen. Deshalb machten wir ab, uns um 22:00 Uhr in Quitumbe zu treffen. Ich bestellte einen Taxifahrer, der leider eine Viertelstunde zu spät kam. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass ich es trotzdem noch pünktlich schaffen würde. Um 22:01 Uhr standen wir noch immer im Stau und Jakob rief mir verzweifelt aufs Handy an: In neun Minuten würde der Nachtbus abfahren. Zum Glück sah ich die Busstation in der Ferne und so drückte ich dem Taxifahrer 15 Dollar in die Hand, stieg aus und rannte die letzten Meter. Als ich den Nachtbus erreichte, streckten mir meine Volunteer-Kollegen mein Ticket entgegen und wir konnten in letzter Minute noch einsteigen.

Die Sitzlehnen konnten wir zum Glück weit nach hinten lassen und so machten wir es uns bequem. Wir hatten eine 7stündige Fahrt bis Guayaquil vor uns und versuchten zu schlafen. Doch einfach war es nicht, denn der Bus rüttelte und schüttelte, raste um die Ränke und die Klimaanlage sorgte für eine Kälte, die nicht angenehm war. Ich hatte nicht daran gedacht eine Wolldecke mitzunehmen und so schlotterte ich die halbe Nacht. Irgendwann muss ich aber doch eingenickt sein, denn Laurin weckte mich ziemlich unsanft, als wir Guayaquil erreichten.

 

An der Busstation kam ein Mann auf uns zu und rief von weitem: "Hola amigos!" Da war für uns klar, dass er bei den Salesianern arbeitete, denn in den Projekten Don Boscos nennen sich alle "amigo" - die Mitarbeiter untereinander, die Erzieher die Kinder und die Kinder sich gegenseitig. Der Mann fuhr uns in einem kleinen Bus zum Haus der Salesianer, wo wir auf die anderen Freiwilligen trafen. Das Gebäude befand sich direkt am Strand unter Palmen und war hell und grossräumig. Inzwischen war es sieben Uhr morgens und Schlaf war nicht im Programm eingeplant. Wir konnten nur kurz unsere Taschen in die Schlafräume bringen, dann ging es los mit dem Gebet.

Später machten wir verschiedene Gruppenspiele zur Auflockerung, aber auch zur Vertiefung von Themen, die wir behandelten. Eine Dame brachte uns näher, was der Umgang mit Kindern nach der Ideologie Don Boscos bedeutet. Wir mussten auch Fragebögen ausfüllen und danach gemeinsam besprechen. Darin ging es beispielsweise um Fragen, ob wir schon einmal ein Kind geschlagen oder eingesperrt hätten, ob wir die Namen und die Vergangenheit all unserer Schützlinge kennen und ob wir während der Arbeit Zeit hätten, um ein Buch zu lesen.

 

Am Nachmittag gingen wir alle gemeinsam an den Strand, der sich gleich unterhalb des Hauses befand. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben am Pazifik und deshalb sehr gespannt.

Zuerst spielten wir Fussball und Volleyball. Wir hatten sehr viel Platz, denn wir waren die einzigen Menschen am Strand. Danach gingen einige von uns baden. Ich hatte mein Badekleid nicht dabei, wollte aber bis zu den Knöcheln ins Wasser und rollte meine Jeans hoch. Dabei blödelte ich mit Laurin rum und irgendwann packte er mich und tauchte mich mit samt den Kleidern unter Wasser. Wir hatten beide nicht daran gedacht, dass sich in meiner Hosentasche mein Schweizer Smartphone, mein ecuadorianisches Handy sowie mein Portmonnaie befanden. Ich hatte einen kurzen Schock, doch Laurin tat es furchtbar leid und er half mir, alles zu trocknen. Die Handys funktionieren zum Glück noch einwandfrei. :-)

Da ich ohnehin schon nass war, ging ich nun mit den Kleidern schwimmen. Zwei ecuadorianische Volunteers nahmen mich rechts und links bei der Hand und immer wenn eine Welle kam, riefen sie "salta!" (Spring!) Es war recht lustig, weil mich die Welle jedes Mal fortspülte, die Ecuadorianer jedoch sicher auf den Füssen landeten und mir danach halfen, wieder aufzustehen.

Am Abend spielten wir nochmals Gruppenspiele, jedoch solche mit Spassfaktor. Es waren Sport-, Sing- und Tanzspiele. Wenn ich nicht so furchtbar müde gewesen wäre, hätten sie wahrscheinlich noch mehr Spass gemacht. Danach konnten wir endlich schlafen gehen. Die Bettgestelle waren uralt und verrostet, die Duschen hatten keine Vorhänge und der Schlafraum von uns Frauen wurde nur durch eine dünne, niedrige Wand von demjenigen der Männer abgetrennt. Doch wir sagten uns immer wieder, dass wir nicht vergessen dürfen, dass wir hier in Ecuador sind und nicht in der Schweiz oder in Deutschland.

Am anderen Morgen fuhren wir mit dem kleinen Bus in ein Armenviertel. Unsere Aufgabe war es, die Kinder bei den Häusern abzuholen und sie zu einem Platz zu bringen, wo wir Spiele mit ihnen spielten. Danach führten wir Volunteers ein Theaterstück auf, das wir am Tag vorher einstudiert hatten. Darin ging es darum, dass Jesus Maria segnet und stärkt. Daraufhin wollen verschiedene "Sünden" in Gestalt von Alkoholikern, Gewalttätern und Drogensüchtigen Maria verführen. Doch dann kommt Jesus wieder und schlussendlich kämpfen Jesus und die "Sünden" gegeneinander um Maria. Die Botschaft an die Kinder war, dass sie nur der Freund von Jesus sein und sich nicht von schlechten Dingen verführen lassen sollen. Zum Schluss gingen wir in die kleine Kapelle des Viertels und feierten mit den Kindern einen Gottesdienst.

Zwei Frauen, die im Viertel wohnen, wollten uns alle zum Mittagessen einladen und kochten für uns. So assen wir bei ihnen Reis und Hühnchen und tranken Saft. Doch dieses Essen war nicht eingeplant und als wir wieder zurück ins Haus der Salesianer kamen, hatten die Mitarbeiter dort ebenfalls für uns gekocht. So assen wir ein zweites Mal zu Mittag.

 

Nach dem zweiten Essen war das offizielle Programm zu Ende. Laurin, Tobias und Xenia entschieden sich, noch zwei Tage länger in Guayaquil zu bleiben und fuhren an einen Strand weiter nördlich. Jakob, vier

ecuadorianische Volunteers und ich wollten den Nachtbus zurück nach Quito nehmen. Dieser fuhr jedoch erst um 22:50 Uhr und wir hatten noch jede Menge Zeit zur Verfügung. Ein Pater der Salesianer fuhr uns an den riesigen Hafen von Guayaquil, wo wir den Nachmittag verbrachten.

Am Hafen gab es auch einen Park, in dem riesige Echsen frei herumliefen. Sie waren überhaupt nicht schüchtern und man konnte sie sogar streicheln. Als es dunkel war, besichtigten wir noch einen Leuchtturm. Dort waren drei junge Frauen, die Schweizerdeutsch sprachen. Meine ecuadorianischen Kollegen überredeten mich schliesslich, mit den Frauen ein Gespräch zu beginnen. Ich erfuhr, dass die Schweizerinnen

aus St.Gallen kommen und zurzeit in Ecuador herumreisen.

Um sieben Uhr holte uns der Pater wieder ab und ging mit uns in ein Einkaufszentrum, um etwas zu essen. Danach hatten wir immer noch viel Zeit und wir fuhren in ein weiteres Projekt der Salesianer Don Boscos in Guayaquil. Auch dort wurden wir mit "hola amigos!" begrüsst und etwa zehn Kinder waren gerade beim Abendessen. Ich bin immer wieder von Neuem überrascht, wie offen die Kinder auf Volunteers zugehen, die sie nicht kennen. Als wir den Raum betraten, winkten mir die Kinder sofort zu und fragten mich, wie ich heisse. Ein kleiner Junge bat mich nach dem Essen sogar, ihm von dem Land zu erzählen, aus dem ich komme.

Schliesslich nahmen wir den Nachtbus zurück nach Quito und ich war so müde, dass ich sogar schlafen konnte. Wir kamen um halb sieben Uhr morgens an und der ecuadorianische Volunteer Marco, der im selben Projekt wie ich arbeitet, ging direkt ins "mi caleta". Ich bin froh, dass ich nun zwei Tage frei habe um mich auszuruhen und Schlaf nachzuholen.

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Unterwegs mit einer Sozialarbeiterin

Ich hab’ so viele Dinge, viel mehr als ich eigentlich ertrage. Ich hab’ so viel Klamotten und Schmuck und Gedöns, viel mehr als ich eigentlich trage. Ich hab’ ein Einrad und ein Skateboard, das ich eigentlich nicht fahre. [...] Und ich hab’ Freunde und Träume, meine Stimme und Sinne. Ich hab’ so viele Ideen, ich hab’ so viel zu geben, ich hab’ so viel zu erleben, so viel zu erleben. [...]  Ich hab’ meine Meinung, Gefühle und Werte und Zeit und ich hab’ Vertrauen. Vertrauen darin, dass Zeit Wunden heilt und Vertrauen in mich. Vertrauen darin, dass alles gut wird und in das Leben an sich und ich hab’ mein Leben, das endlich ist und nicht selbstverständlich ist. Vielleicht nur eine Seele, die ewig beständig ist, auch wenn der Gedanke daran für mich sehr befremdlich ist und ich hab’ noch was, das vergess’ oft, dann muss ich mich neu besinnen, ich hab’ nicht und nichts zu verlieren, sondern so viel zu gewinnen. Ich hab’ tausend Gründe zum Lachen und bloß einen zum Weinen und vor allem habe ich einen Grund glücklich zu sein.

(Julia Engelmann in "Bestandsaufnahme in drei Teilen")

Da die Mitarbeiter in meinem Projekt wissen, dass ich nach meiner Rückkehr aus Ecuador Soziale Arbeit studieren möchte, darf ich jeden Donnerstag mit einer Sozialarbeiterin mitgehen, wenn sie ausser Haus geht. Die letzten beiden Male waren nicht so interessant, wir mussten bei verschiedenen Büros Papiere für ein Kind abholen, das die Schule wechseln wird. Den Tag verbrachten wir vor allem mit Bus fahren, da die

Distanzen in Quito riesig sind. Dann mussten wir in den Büros auch noch stundenlang warten, weil die ecuadorianische Bürokratie nicht die Schnellste ist.

 

Jetzt ist der Papierkram zum Glück erledigt und heute gingen wir auf Hausbesuch bei der Mutter eines Kindes, das die Schule der Salesianer besucht. Dafür fuhren wir mit dem Bus in den Süden von Quito. Ich war auf alles gefasst, da die Kinder von "Chicos de la calle" alle aus sehr armen Verhältnissen stammen. Als wir den Bus verliessen, waren wir in "the middle of nowhere", in einer Gegend, in der es nur Hänge und Feldwege gab. Wir mussten ein Stück zu Fuss gehen und um uns herum weideten Kühe, Ziegen und Hühner. Auf den Wiesen hatte es alle paar Meter Barracken und Steinhäuser, in denen Menschen wohnten. Für mich sah es eher aus wie ein riesiger Schrebergarten mit Gartenhäuschen. Nach etwa einer halben Stunde Fussmarsch waren wir am Ziel. Doch das "Haus" der Familie war kein Haus, sondern eine Garage.

 

Als wir zur Tür des niedrigen Betongebäudes hineingingen, stand ein kleiner Junge in Schuluniform im Eingang und streckte mir einen winzigen Golden Retriever-Welpen entgegen.

Die "Wohnung" war ein einziger Raum aus Beton mit einer niedrigen Decke. Von der Decke und von den Wänden hingen Gummirohre. Am Eingang standen drei Polstersessel und ein Fernseher, der permanent lief. Dahinter ohne Abtrennung ein Esstisch, ein Herd und drei Betten. Nur eines der drei Betten hatte eine Matratze, auf den anderen zwei Bettgestellen lagen zerknüllte Kleider. 

 

Die Sozialarbeiterin musste verschiedene Papiere ausfüllen und stellte der Mutter Fragen. Dabei stellte sich heraus, dass weder die Mutter noch ihr Mann eine weiterführende Schulbildung hatten, beide hatten nur die Primarschule besucht.

Nachdem wir uns von der Mutter verabschiedet hatten, fuhren die Sozialarbeiterin und ich nochmals ein Stück mit dem Bus und trafen einen Erzieher, der im "Golaso" arbeitet. Das "Golaso" (zu Deutsch: Fussballtor) gehört ebenfalls zum Programm "Chicos de la calle" und ist eine Fussballschule für Strassenkinder in Quito. Dort wird in den Kindern mit Hilfe von Fussball Begeisterung und Initiative für ein besseres Leben geweckt. Neben Spass und Bewegung lernen die Kinder dank Fussball auch das Befolgen von Regeln sowie den respektvollen Umgang mit anderen Menschen. In erster Linie dient das Programm aber dazu, die Kinder wieder in die Schule und in ihre Familie zu integrieren. Deshalb verpflichtet sich jedes Kind der Golaso-Fussballschule, eine staatlich anerkannte Schule zu besuchen und einen formellen Schulabschluss zu erwerben.

 

Die Sozialarbeiterin und ich trafen also auf den Erzieher und ein Kind mit seinen Eltern. Ich kannte die Vorgeschichte nicht und ich verstand auch nicht alles, weil sie ein sehr schnelles Spanisch redeten. Doch ich glaube es ging darum, dass das Kind keine Motivation hat, die Schule zu besuchen und zu lernen. Der Erzieher erklärte der Mutter immer wieder, dass er dem Jungen zwar die Chance auf ein besseres Leben bieten könne, der Junge aber selber lernen müsse. Dies könne ihm niemand abnehmen.

 

Als ich Feierabend hatte und nach Hause ging, war ich in komischer Stimmung. Irgendwie fühlte ich mich schuldig, nun in die saubere, grossräumige Villa meiner Gastfamilie zurückzukehren, nachdem ich diese Armut gesehen hatte.

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Das gute Ecuador und die gute Schweiz

Wer nie weggegangen ist, versteht die Heimkehrenden nicht.

(Walter Ludin) 

Was ich in Ecuador liebe:

 

1. Das Wetter

In Ecuador sind die Tage wegen den Lage am Äquator immer gleich lang. Die Sonne geht um sechs Uhr morgens auf, deshalb ist es immer schon hell wenn ich aufstehe.  Zudem erlebt man hier alle vier Jahreszeiten an einem einzigen Tag und es wechselt sehr schnell. Besonders im September regnet es oft, doch nur am Nachmittag kurz und heftig. Vorher und nachher scheint die Sonne und es ist ziemlich warm.

 

2. Die niedrigen Preise

Für eine Schweizerin ist das Leben in Ecuador sehr günstig. Ein Mittagessen in einem Restaurant kostet 4-7 Dollar. (Umgerechnet 3.80 Fr. -  6.80 Fr.) Für meinen Privat-Spanischunterricht bezahle ich hier 5 Dollar (Umgerechnet 4.80 Fr.) pro Stunde (!). Eine Freundin von mir hat in der Schweiz Privat-Spanischunterricht genommen und dafür 60 Fr. pro 45min bezahlt. Dieser Unterschied ist wahnsinnig. Den Luxus vom Privat-Spanischunterricht könnte ich mir in der Schweiz nie leisten und schöpfe ihn deshalb in Ecuador voll und ganz aus.

 

3. Die vielen verschiedenen Fruchtsäfte

Geht man in Ecuador in ein Restaurant, hat man eine riesige Auswahl an "jugos", an Fruchtsäften. Es gibt klassische Säfte wie Orangen, Beeren oder Ananas. Auf der Getränkekarte stehen aber auch Namen, die ich noch nie zuvor gehört habe und mir ehrlich gesagt auch schlecht merken kann. Es sind Säfte von Früchten, die es in der Schweiz nicht gibt, die aber unglaublich süss und erfrischend sind.

 

4. Die unterschiedlichsten Landschaften auf kleinstem Raum

Ecuador ist das ideale Land um zu reisen. Es gibt Berge, die Küste und das Meer sowie den Amazonas - alles in einem einzigen Land, alles in wenigen Stunden erreichbar. Die Kultur ändert sich auch, wenn man von Quito aus an die Küste fährt. Je nach Region gibt es anderes Essen, die Menschen kleiden sich anders und leben anders.

 

Was ich in Ecuador vermisse:

 

1. Gefahrlos die Strasse überqueren können

In Ecuador haben die Fussgänger niemals Fortritt. Es gibt zwar Fussgängerstreifen, doch die werden von den Autos nicht beachtet. Wenn man eine Strasse überqueren will, bleibt einem nichts anderes übrig als die Augen zuzukneifen und loszurennen. Manchmal wartet man stundenlang am Strassenrand, weil so viele Autos kommen und es nirgends eine Lücke gibt, die man nutzen könnte. Wenn man Glück hat, stauen sich die Autos irgendwann und man kann zwischen den stehenden Fahrzeugen durchgehen.

 

2. Umweltschutz und Abfalltrennung

In der Schweiz geben wir uns solche Mühe, den Abfall zu trennen und ökologisch Auto zu fahren. Doch wie sollte dies längerfristig etwas bringen, wenn sich andere Länder überhaupt nicht daran halten? In Ecuador trennt niemand den Abfall - Pet, Kompost, Plastik, Batterien - alles kommt in den selben Abfallsack. Auch die Autos haben keinen Filter, man kann richtig zusehen wie schwarze Abgase in die Luft steigen. Die Busse fahren immer in einem tiefen Gang, was viel mehr Benzin braucht.

 

3. Zuverlässigkeit

Wir Schweizerinnen werden dazu erzogen, zuverlässig und pünktlich zu sein. Wenn man sich im Voraus verabredet, kann man sich in der Regel darauf verlassen, dass die entsprechende Person am abgemachten Tag zur abgemachten Zeit erscheint. In Ecuador ist dies nicht immer so. Häufig kommt kurzfristig doch noch etwas dazwischen und alle Pläne werden über den Haufen geworfen.

 

4. Gutes Brot

Aach, warum gibt es nirgends auf der Welt so gutes Brot wie in der Schweiz? In Ecuador gibt es wie in vielen Ländern dieser Welt nur Toastbrot. Dafür gibt es X-Variationen von Toastbrot - es gibt helles, dunkles, Toastbrot mit Beeren, Toastbrot mit Nüssen, Toastbrot ohne Rinde...Doch ganz ehrlich: Davon wird man doch nicht satt. Ich vermisse das knusprige Brot mit Rinde, das man zuerst in Stücke schneiden muss und nicht einfach vorgeschnitten aus einem Plastiksack nehmen kann.

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Meine erste Salsa-Tanzstunde

Lass mal 'ne Nacht drüber tanzen, Leichtmut und Freiheitsluft tanken und alle Gedanken parken an der Garderobe wie die Jacken von entfernten Bekannten. Und erst morgen, wenn wir dann wankend entspannt landen, wo wir eben noch standen, stellen wir uns tapfer den ganzen gigantischen grossen Gedanken - sind frei, die Gedanken sind frei und wir tanzen zu zweit.

(Julia Engelmann in "Lass man 'ne Nacht drüber tanzen")

Schon vor meiner Abreise war für mich klar, dass ich in Ecuador lernen möchte Salsa zu tanzen. An den Vorbereitungsseminaren von ICYE Schweiz hatte ich Jugendliche aus Südamerika kennengelernt und mit ihnen eine Nacht durchgefeiert. Praktisch alle von ihnen hatten Salsa getanzt und mir war der Mund offen stehen geblieben. Seit diesem Moment wusste ich, dass ich das auch können will! Und wo lerne ich es besser als in Lateinamerika selbst?

 

Zuerst wollte ich hier in Ecuador alleine in eine Tanzschule gehen. In der Nähe vom Haus meiner Gastfamilie  gibt es gleich zwei Salsa-Schulen. Doch irgendwie war mir dann doch ein bisschen mulmig, mich ohne Tanzpartner und ohne Erfahrung anzumelden.

 

Dann erfuhr ich, dass Xenia aus der Schweiz, Jakob aus Deutschland und Laurin aus Österreich, die auch in Projekten der Salesianer Don Boscos arbeiten und immer mit mir zu Mittag essen, ebenfalls Salsa tanzen möchten. In der Nähe von unseren Projekten gibt es einen Tanzlehrer, der private Gruppen unterrichtet. Dabei muss man ihn einfach anrufen und mit ihm einen Termin für die Salsa-Stunden abmachen. Xenia, Jakob, Laurin und ich entschieden uns, jeden Donnerstag nach der Arbeit zu viert Salsa-Stunden bei diesem Lehrer zu nehmen.

 

Als wir heute zum ersten mal in die Salsa-Stunde gehen wollten und dies herumerzählten, waren auf einmal noch viel mehr Leute von unserer Idee begeistert: Franklin (der Sportlehrer der Schule der Strassenkinder, der gleich alt ist wie wir Freiwilligen), Jairo (mein Chef, der ebenfalls erst 25 Jahre alt ist), zwei junge Studentinnen aus den USA, die manchmal in meinem Projekt aushelfen, sowie ein Freund von Laurin und eine Kollegin von Jakob wollten auch mitkommen. So waren wir schlussendlich 10 Personen und mit der Anzahl an Männer und Frauen ging es ebenfalls auf.

 

Zuerst übten wir alle in einer Reihe die Grundschritte vor dem Spiegel. Dies war nicht weiter schwierig. Anspruchsvoller wurde es, als wir das selbe zu zweit als Tanzpaar machen mussten. Ich tanzte mit Franklin und ich fragte mich wirklich, wieso er Tanzstunden nehmen wollte. Wahrscheinlich lag es daran, dass er Latino ist und das Tanzen im Blut hat, dass er sich mit einer solchen Lockerheit bewegte, dass es von Anfang an professionell aussah. Ich selbst musste mich so sehr auf die Tanzschritte konzentrieren, dass ich mich richtig verkrampfte. Ich werde wohl noch einige Tanzstunden brauchen, bis ich mich ebenfalls entspannt bewegen kann.

 

Ich merkte aber sofort, dass Salsa-Tanzen ideal ist um abzuschalten. In diesem Moment haben keine anderen Gedanken platz, man muss sich aufs hier und jetzt, auf die Musik und die Bewegungen einlassen. Ich freue mich darauf, weiter zu üben und bald besser zu werden. Besonders toll finde ich es, dass ich Gleichgesinnte gefunden habe, mit denen das Tanzen gleich noch mehr Spass macht!

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Viel Arbeit und wenig Freizeit

Cuàndo eres joven, debes trabajar para aprender, no para ganar.

(Robert Kiyolski)

 

(Wenn du jung bist, musst du arbeiten um zu lernen, nicht um Geld zu verdienen.)

Obwohl ich meine Arbeit hier sehr mag, ist der Alltag anstrengend. 

Ich habe fast eine Stunde Arbeitsweg und da man nie so genau weiss, wann der Bus kommt, stehe ich um halb 8 an die Haltestelle. Um 9 Uhr beginnt meine Arbeit und endet um 17 Uhr.

Mir bleibt wenig Freizeit. Montags und Mittwochs gehe ich nach der Arbeit in den Spanischunterricht bei einer älteren Frau. Sie ist sehr geduldig, herzlich und weiss genau, wo ich noch Defizite habe. Dann komme ich erst um 21:00 Uhr nach Hause, esse etwas und gehe schlafen, um fit für den nächsten Tag zu sein. Ich habe einen so vollen Terminkalender, dass ich fast keine Zeit habe, um Spanisch-Vokabular zu lernen oder die Grammatik aus dem Unterricht zu repetieren. Irgendwie muss ich da für mich noch eine Lösung finden.

 

Im Projekt habe ich jetzt zum Glück mehr Arbeit. Vor dem Mittag und am Nachmittag kommen etwa 20 Kinder, um ihre Hausaufgaben zu machen. Meine Aufgabe ist es dann, ihnen dabei zu helfen. Meist sind es Mathematikaufgaben. Ich versuche sie ihnen zu erklären, was jedoch auf Spanisch ziemlich schwierig ist.

Dazu kommt, dass die Mädchen sehr fasziniert sind von meinem Nasenpiercing und es immer berühren wollen, wenn ich mit ihnen rechnen will. :-)

Wenn alle Aufgaben gemacht sind, bleibt meist noch Zeit um zu spielen.

 

Da ich die einzige Mitarbeiterin im Projekt bin, die Englisch kann, kommen die Kinder auch mit Englisch-Hausaufgaben zu mir. Vor Kurzem kam sogar die Schwester eines Mitarbeiters und bat mich, für sie einen Text aus dem Spanischen ins Englisch zu übersetzen. Es war kein allzu schwieriger Text, sondern ein kurzer Lebenslauf. Ich war stolz, dass ich dies für sie tun konnte.

 

Vor einigen Tagen bekam ich richtig Bauchschmerzen vom Essen. Ich bin mir nicht sicher, ob das Essen im Projekt wirklich sauber ist. Wir essen jeden Tag in der Schule der Strassenkinder, wo jeder sein Geschirr selbst von Hand abwaschen muss. Dabei gibt es nur wenig Seife, die nicht für alle reicht. Die meisten Kinder halten das Geschirr nur kurz unter den Wasserhahn und versorgen es danach. Wenn wir am nächsten Tag wieder kommen, schöpfen wir das Essen in das immer noch nasse Geschirr. Jedenfalls bekam ich richtig Bauchkrämpfe und ein Mitarbeiter musste mich zum Arzt bringen. Als ich zurückkam, waren die Kinder überzeugt, dass ich jetzt ein Baby bekommen würde und hielten ihr Ohr immer wieder an meinen Bauch. In Ecuador ist es vor allem in den ärmeren Schichten üblich, jung Kinder zu bekommen. Deshalb war es sinnlos den Kindern zu erklären, dass ich mit 22 Jahren bestimmt noch nicht Mutter werden will. :-)

 

Noch immer habe ich Angst, während meiner Zeit in Ecuador etwas zu verpassen. Es gibt hier so viel zu erleben und zu entdecken. Ich möchte in den Amazonas, auf die Galapagos-Inseln (wenn ich genug Geld habe), an den Strand, ich möchte Salsa tanzen, besser Spanisch lernen, Zeit mit meiner wundervollen Gastfamilie verbringen...

Reichen dafür die sieben Monate, die mir noch bleiben? Ich hoffe es!

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Ein Wochenende in Baños

Es gibt kein sichereres Mittel festzustellen, ob man einen Menschen mag oder nicht, als mit ihm auf Reisen zu gehen.

(Mark Twain)

Zuerst einmal möchte ich mich bei euch Blogleserinnen und Bloglesern bedanken! Es ist schön, immer wieder zu hören, wer alles meinen Blog liest. Ich hätte nie gedacht, dass sich so viele Menschen für meine Erlebnisse und Erfahrungen in Ecuador interessieren.

Natürlich freue ich mich auch immer über Kommentare zu meinen Blogs oder über Gästebucheinträge. :-)

 

Rabea ist in den letzten Monaten eine meiner besten Freundinnen geworden. Sie kommt aus Basel und hat mit mir die gesamte Vorbereitung von ICYE durchgemacht - von der Länderwahl über die Vorbereitungsseminare und die Beantragung des Visums bis hin zum Packen des Reisekoffers und des 16stündigen Flugs von Zürich nach Quito. Jetzt arbeitet sie ebenfalls in einem Projekt mit Strassenkindern, jedoch in Ambato, einer Stadt etwa 3 Autostunden von Quito entfernt. Im selben Projekt arbeitet auch Timo, ein Freiwilliger aus Deutschland.

Rabea, Timo und ich planten dieses Wochenende zusammen nach Baños zu fahren. Dies ist ein Städtchen zwischen den Anden und dem Amazonasbecken in einem zauberhaften, kleinen Tal mit Wasserfall und mehreren kleinen Quellen.  

 

Um sechs Uhr morgens stieg ich in den Bus. Ich habe noch immer sehr Mühe, mich geografisch in Ecuador zurechtzufinden, zu wissen, welchen Bus ich nehmen und wo ich aussteigen muss. Die Haltestellen werden weder angekündigt noch sind sie angeschrieben. Ich wusste, dass ich bei einer Haltestelle namens "Tambillo" umsteigen musste. Doch wie sollte ich wissen, welche Haltestelle das ist? Zum Glück sind die Menschen in Ecuador allgemein sehr hilfsbereit und der Busfahrer informierte mich, als wir in "Tambillo" eintrafen.

 

Nach drei Stunden Fahrt erreichte ich Ambato. Dort traf ich auf Rabea und Timo und gemeinsam fuhren wir eine weitere Stunde bis Baños. Das Städtchen ist traumhaft! Es liegt mitten in den Bergen zwischen unglaublich hohen Hügeln, die mit Wald bedeckt sind.

Zuerst suchten wir ein Hostel und fanden eines für acht Dollar pro Person. Das Zimmer war klein und Rabea und ich teilten uns ein Bett, doch wir waren mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis sehr zufrieden.  Für Aktivitäten wie Dschungeltouren, Klettern, Reiten oder Rafting, für die Baños bekannt ist, waren wir zu spät dran. Zudem regnete es ununterbrochen. Doch mich störte dies alles nicht. Ich war vor allem hier, um aus Quito herauskommen, mich mit Rabea und Timo auszutauschen und wieder einmal Deutsch sprechen zu können. Deshalb nahmen wir es gemütlich, wir setzten uns in ein Restaurant, besichtigten die Basilika und tranken Kaffee. Timo sagte irgendwann: "Ich liebe mein Leben und meine Arbeit hier. Zum ersten Mal seit langem habe ich das Gefühl, etwas wirklich Sinnvolles zu tun."

Damit sprach er uns allen aus der Seele, in gewisser Weise. 

 

Als der Regen ein wenig nachliess, spazierten wir zu einem grossen Wasserfall mitten in der Stadt.

Am Abend wollten wir uns das Nachtleben von Baños ansehen. Ähnlich wie in Quito reihen sich hier Bars und Discos aneinander. Alles ist sehr europäisch angehaucht und wir hätten geradesogut in Spanien sein können. Ich war ein bisschen enttäuscht, dass die Menschen in den Discos nicht wirklich tanzten. Sie standen einfach im Kreis und wippten zur Musik ein bisschen hin und her. Doch wahrscheinlich lag das daran, dass die meisten davon Touristen waren.

Wir gingen noch vor Mitternacht schlafen, um fit für den nächsten Tag zu sein.

 

Am Sonntagmorgen standen wir früh auf, um zur berühmten "casa del arbol" zu gehen. Dies ist ein Baumhaus oben auf einem der Hügel, neben dem es eine Schaukel gibt. Mit dieser Schaukel kann man hoch über dem Abgrund einer tiefen Schlucht hin und her schwingen.

Ein Taxifahrer, der nicht älter war als wir selbst, fuhr uns den Hügel hoch. Oben angekommen wollte er mit Rabea und mir Selfies machen. Timo war für ihn nicht so interessant... ;-)

Schliesslich setzten wir uns auf die Schaukel und schwangen los, ohne jede Sicherung. Es war einfach wunderbar, ein Gefühl von Freiheit, hoch über tropischem Wald, reissenden Flüssen und inmitten von Vulkanen.

Als wir von der Schaukel zurückkehrten, gingen wir noch auf den Früchte- und Gemüsemarkt. In Ecuador sind die Früchte sehr viel süsser als in der Schweiz und es gibt Sorten, die ich noch nie zuvor gesehen habe.

Danach nahmen wir den Bus nach Ambato, denn ich hatte eine lange Fahrt bis Quito vor mir. Es war ein sehr schönes Wochenende mit zwei guten Freunden an einem wundervollen Ort.

Ich freue mich bereits auf die nächste Reise!

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Herausforderungen bei der Arbeit

Die Welt braucht nicht noch mehr erfolgreiche Leute.

Die Welt braucht verzweifelt mehr Friedensstifter, Heiler, Wiederhersteller und Geschichtenerzähler.

(Dalai Lama)

In Ecuador kommt der Winter. Es ist deutlich kälter geworden und es regnet oft. Ich kann es nicht glauben, dass ich bereits seit einem Monat hier bin! An die Erdbeben, die hier sehr häufig sind, habe ich mich noch immer nicht gewöhnt. Vor zwei Tagen sass ich mit meinem Gastbruder Carlos auf dem Sofa, als plötzlich das ganze Haus zu schütteln begann. Zuerst realisierten wir nicht, was los war, dann schrien plötzlich alle "Temblor!" und rannten auf die Strasse. Als wir draussen waren, war es aber bereits wieder vorbei.

(Im Ecuador unterscheidet man lustigerweise zwischen einem kleinen und einem grossen Erdbeben. Ein Erdbeben, das unter der Stufe 7 ist, nennt man "Temblor" und ein starkes Erdbeben ab der Stufe 8 "Terremoto") Nach dem Beben waren diverse Gebiete rund um Quito für einige Stunden ohne Strom.

 

In meinem Projekt haben die Mitarbeiter nun einen Stundenplan für mich gemacht, der regelt, an welchem Wochentag, um welche Zeit ich was erledigen soll. Dies hat mich ziemlich erstaunt, da die Arbeit hier sehr chaotisch ist.  Im Stundenplan steht geschrieben, dass ich jeden Donnerstag mit den Sozialarbeitern auf Hausbesuche zu den Familien der Kinder gehen darf. Ich hoffe sehr, dass dieses Versprechen eingehalten wird. Dann würde ich sehen, wie die Kinder wohnen und hoffentlich auch bald ihre Verhaltensweisen in gewissen Situationen nachvollziehen können.

 

Meine wichtigste Aufgabe ist es, C. zu betreuen. Er ist ein Junge von 10 Jahren, der zurzeit die Schule nicht besuchen kann, weil es für ihn zu schwierig ist, dem Unterricht zu folgen. Er ist sehr anhänglich, will mich ständig umarmen, auf die Wange küssen und sagt mir, ich sei seine Lieblingsfreundin. Doch in diesem Haus haben die Kinder auch viele Pflichten. Ich habe eine Liste, die ich mit C. abarbeiten muss. Beim Zähneputzen beginnt das Theater. Er schmeisst die Zahnbürste auf den Boden, weigert sich, sie wieder aufzunehmen und rennt mir davon. Ich renne hinterher und versuche ihn dazu zu bringen, die Zähne doch noch zu putzen.

 

Weiter geht's mit dem Waschen der Kleider. Viele der Kinder werden sich nie eine Waschmaschine leisten können und so müssen sie lernen, mit Kübel, Seife und Bürste auszukommen.

 

Also wasche ich mit C. seine Kleider. Oder ich versuche es zumindest. Doch er wirft die Seife in die Ecke, die Bürste hinterher und hängt die Kleider ungewaschen an die Leine. Wenn ich ihn an der Hand nehmen will, um ihm zu zeigen, wie man es richtig macht, reisst er sich los und rennt die Treppe hoch aufs Dach. Ich versuche ihn runterzuholen, aber habe keine Chance. Wenn ich lauter und bestimmter mit ihm rede, nimmt er mich nicht ernst und verbessert seelenruhig mein Spanisch.

Wir brauchen drei Stunden bis alle Kleider sauber gewaschen an der Leine hängen, doch ich bin sicher, dass wir es unter normalen Umständen in zwanzig Minuten geschafft hätten.

 

Nach dem Mittagessen muss C. einen Text aus einem Buch abschreiben. Doch natürlich hat er auch dazu keine Lust. Er kann stundenlang vor dem leeren Blatt sitzen und vor sich hinstarren.

 

Ich habe das Gefühl, dass sich die Kinder nicht bewusst sind, welche Chance sie hier erhalten. Bildung ist der Schlüssel zu einem besseren Leben und die Kinder, die von der Strasse kommen, weigern sich, ihre Hausaufgaben zu machen!

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Weil jedes Kind seine eigene Geschichte hat...

Ein Kind, das mit Respekt behandelt wird, wird respektvoll. Ein Kind, das mit Liebe behandelt wird, wird liebevoll. Ein Kind, das mit Fairness behandelt wird, wird gerecht. Ein Kind, das mit Höflichkeit behandelt wird, wird ein guter Freund. Ein Kind, das angehört wird, wird ein guter Zuhörer. Ein Kind, das die Wahl erhält, wird verantwortungsbewusst.

(Unbekannt)

Nach dem dritten Tag in meinem Projekt kann ich sagen, dass ich mich bei der Arbeit langsam zu Hause fühle. Ich musste mich zuerst an die ecuadorianische Arbeitsmoral gewöhnen. Von meiner Lehre in der Schweiz bin ich es gewohnt, dass die Arbeit eine Struktur hat und ich mit klaren Aufträgen eingearbeitet werde. Hier in Ecuador ist vieles anders. Alles ist ein bisschen chaotischer, ein bisschen lockerer und ich bin mehr auf mich alleine gestellt.

 

Wenn ich morgens komme, sind die Kinder meist draussen und warten auf mich. Wir spielen dann eine Runde Fussball auf dem kleinen Vorplatz. Oftmals spielt auch Jairo mit, einer der Leiter des Projektes. Danach müssen die Kinder ihre Pflichten erfüllen, sei es Rechnen, Putzen oder Aufräumen. Seit gestern ist noch ein dritter Junge dabei und ich half den dreien, ihre Kleider zu waschen. Wir hatten nur einen Kübel kaltes Wasser, eine Handseife und eine Bürste zur Verfügung. Ich war mir nicht so sicher, ob die Kleider auf diese Weise wirklich sauber wurden, aber es haben eben nicht alle Menschen in diesem Land eine Waschmaschine.

 

Danach spielten wir wieder Fussball, bis schliesslich ein Ehepaar im Projekt aufkreuzte. Der Mann erklärte mir, er und seine Frau kämen aus Deutschland und unterstützten Projekte der Salesianer Don Boscos weltweit. Ihr Ziel sei es, alle Projekte einmal im Jahr zu besuchen, sei es in Europa, Lateinamerika oder Afrika. Er sei vor ein paar Jahren während einer Reise durch Südamerika mit der Armut in Berührung gekommen und sei zum Entschluss gekommen, dass man etwas dagegen tun müsse. Und man könne etwas dagegen tun! Dies sei die Einstellung, mit der bestimmt auch ich Ende April nach Hause fliegen werde. Dies hat mich sehr beeindruckt.

 

Da ich in den letzten beiden Tagen oftmals nicht wusste, was ich mit den Kindern ausser Fussball sonst noch spielen kann, nahm ich mir vor, jeden Tag einige Spielideen aus meiner eigenen Kindheit oder aus dem Internet mit ihnen auszuprobieren. Heute nahm ich Ballone mit und wollte mit ihnen ein Spiel spielen, dass ich zu Hause oft mit meinen Geschwistern gespielt habe. Dabei spielt man zu zweit gegeneinander und muss einen aufgeblasenen Ballon über eine Linie bugsieren, ohne dass er auf der eigenen Seite den Boden berührt. Die Knaben waren sehr euphorisch, sie hatten jedoch mehr Freude daran, die Ballone zu zerplatzen. Schliesslich kamen sie auf die Idee, die Ballone mit Wasser zu füllen.

 

Nach einer Weile tauchte noch ein Junge auf. Ich schenkte ihm ebenfalls einen Ballon und er fragte mich, ob er noch drei weitere haben dürfe, er wolle sie seinen Geschwistern bringen. Ich gab ihm die Ballone, weil mir seine Fürsorge gefiel. Einer meiner drei Jungs hatte dies beobachtet und zog plötzlich ein Buttermesser aus der Hosentasche. Er sagte, ich solle ihm auf der Stelle auch drei Ballone geben, sonst würde er mich töten. Ich erschrak. Der Junge hätte mich lieb fragen können und ich hätte ihm die Ballone gegeben. Doch warum musste er mich bedrohen? Ich musste mir in Erinnerung rufen, dass jedes dieser Kinder seine Geschichte hat, manche auf der Strasse gelebt haben oder von den Eltern geschlagen werden. Noch kenne ich ihre Geschichte nicht und ich weiss nicht, weshalb sie in manchen Situationen so reagieren, wie sie eben reagieren.

 

Abgesehen davon, dass meine drei Jungs manchmal unberechenbar sind, machen sie es mir sehr einfach. Sie umarmen mich ständig, nehmen mich an der Hand und suchen nach mir, wenn ich mal kurz in einen anderen Raum gehe. Einer der Kleinen ist mir heute um den Hals gehangen und hat gesagt: "Te quiero muuchoo!" (Ich mag dich seeehr!")

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