Die wahre Geschichte einer wahren Reise...

Zurück in der Schweiz

Ich hatte in Ecuador so viel gelernt: Ich hatte selbst geputzt, gekocht und kam mit den öffentlichen Verkehrsmitteln überall hin. Ich traf meine eigenen Entscheidungen. Ich war nur mir selbst Rechenschaft schuldig, weil ich niemanden um Erlaubnis bitten musste. Wenn ich abends zu lange draußen war und am nächsten Tag arbeiten musste, war das mein Problem. Ich bin gereift, habe mich verwirklicht und bin selbstständiger geworden. Kurzum: Ich wurde erwachsen. 

 

Die Leute, die ich im Ausland traf, hatten eins mit mir gemeinsam: ihre Wanderlust. Wir teilten ein Lebensgefühl. So viele verschiedene Sprachen und doch eine Gemeinsamkeit:das Fremdsein. Die Angst, die Zuversicht, die Nervosität, das Überwältigtsein vom Neuen. Es wurde für mich zur Selbstverständlichkeit.

 

Ich fing an zu verstehen, wovon die Reiseverrückten immer sprachen: Mich hat das Fieber gepackt, ich wollte wieder raus und mich in das nächste Abenteuer stürzen. Mal sehen, wie lange ich noch zu Hause bleibe.

 

(Nach dem Online-Artikel: "Warum Wiederkommen so schwierig ist - das lähmende Gefühl nach meinem Auslandsaufenthalt")

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Die letzten Tage in Ecuador

Schon am Vortag war ich in Aufruhr wegen der bevorstehenden Abfahrt. Es ging los. Es ging zurück in die Schweiz. Dorthin, wo ich alles zurückgelassen hatte. Gut neun Monate hatte ich in Ecuador verbracht. Ich will nicht behaupten, ich sei neun Monate fort gewesen und danach ging es mir nur noch gut und ich war glücklich. Das nicht. Aber ich habe gelernt, dass das Reisen Erfahrungen vermittelt, von denen ich gedacht hätte, nur die Zeit könne sie bringen. Reisen beschleunigt den Prozess, könnte man sagen. Dank dieser Reise habe ich wichtige Einsichten über mich erlangt, doch vor allem hat sich meine Einstellung gegenüber dem Leben verändert und nun lehrt mich das Leben mit jedem Tag etwas, woran ich wachse. 

(Nach Fabio Volo in "Einfach losfahren")

An den Seminaren von ICYE wurde uns immer wieder gesagt, die Rückkehr nach einem Sozialeinsatz sei nicht zu unterschätzen. Während meinen letzten drei Wochen in Ecuador, die ich auf einer Rundreise mit meinen Eltern verbrachte, wurde ich plötzlich unsicher, ob ich wirklich schon bereit war, in die Schweiz zurückzukehren. 

Auf dieser Rundreise fiel mir und meinen Eltern vermehrt auf, wie freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit die Menschen in Ecuador sind. Immer wieder wurde uns Hilfe angeboten, wenn wir nicht wussten, wie wir in die nächste Stadt kommen. Wir kamen auch sehr schnell und leicht mit den Einheimischen ins Gespräch, sei es mit einem Taxifahrer, der uns alle Reisfelder und Bananplantagen erklärte, an denen wir vorbei fuhren, oder einem Bananenchips-Verkäufer, der von sich aus für uns telefonierte um abzuklären, wann der Bus nach Tena fährt. In Ecuador muss man keine Angst haben, dass man keine Menschen kennen lernt - die Menschen lernen einen kennen! 

Bereits vor meiner Reise nach Ecuador hatte der Amazonas eine grosse Faszination auf mich ausgeübt und während meinem Sozialeinsatz hatte ich durch einen Ecuadorianischen Kollegen die Möglichkeit, die Kultur der Kichwa (Ureinwohner Ecuadors) kennenzulernen. Nun kehrte ich mit meinen Eltern zurück in den Regenwald und wir verbrachten eine Woche in einer Lodge, die ursprünglich von einer Schweizerin gegründet worden war. Wir waren im absoluten Naturparadies! Die Lodge lag an einem Nebenfluss des Rio Napo, der in Brasilien schliesslich in den Amazonas mündet. Wir wurden mit einem Kanu abgeholt und ein Stück auf dem Fluss zur Lodge hochgefahren, die am Ufer lag.

Die Lodge war sehr europäisch und an der Rezeption arbeiteten Freiwillige aus Deutschland, die die ganze Zeit Deutsch sprachen. Das Essen war eine Kombination aus Schweizerisch und Ecuadorianisch und zum Frühstück gab es sogar Zopf. Gewürzt wurde mit Peterli statt mit Koriander. Ich brauchte einen Tag, um mich daran zu gewöhnen.

Zur Lodge gehört auch eine Tierstation, in der Urwaldtiere gepflegt werden, die als "Haustiere" gehalten und von den Menschen misshandelt worden waren. Das Ziel ist es, diese Tiere irgendwann wieder im Urwald freizulassen. Auch in dieser Tierstation arbeiten Freiwillige aus Europa.

Zum Projekt Lodge und Tierstation gehört auch eine Schule für die Kinder aus dem Urwald. Ich lernte eines Abends eine Freiwillige aus der Schweiz kennen, die in dieser Schule als Lehrerin arbeitet.

Dank meinem Sozialeinsatz in Ecuador hat sich meinen Horizont extrem geöffnet und ich bin mutig und reiselustig geworden. Ich erinnere mich noch gut daran, wie mir eine ehemalige Mitschülerin  vor ein paar Jahren erzählte, sie sei Halb-Ecuadorianerin. Damals wusste ich überhaupt nichts über das Land, doch der wunderschöne, exotische Name weckte meine Neugier. Heute, vier Jahre später, fühle ich mich mit Ecuador verbunden. Ich kenne das Land nun fast besser als die Schweiz.

Nun ist mein Abenteuer Ecuador zu Ende und ich möchte euch allen von ganzem Herzen DANKE sagen. Meinen Eltern, dass sie mich von Anfang an tatkräftig unterstützt haben, finanziell, organisatorisch und mental. ICYE Schweiz für die gute Vorbereitung und die ständige Erreichbarkeit per Mail. ICYE Ecuador für die persönliche, geradezu freundschaftliche Betreuung. Meinem Projekt, dass ich einen Einblick in die Sozialarbeit und die Arbeit mit Strassenkindern erhalten durfte. Meiner Gastfamilie, dass ich 8 Monate bei ihnen wohnen und an ihrem Familienleben teilhaben durfte. Und nicht zuletzt allen meinen treuen Blogleserinnen und Bloglesern, meinen Freunden und Bekannten in der Schweiz, die mein Abenteuer mitverfolgt haben und in der Ferne für mich da waren. !!!DANKE!!!

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Abschied vom ecuadorianischen Alltag

Kein Augenblick ist je verloren

Wenn er im Herzen weiterlebt

Das Leben wird jetzt anders sein

Doch die Erinnerung bleibt ewig bestehen.

[...]

Keine Träne soll uns begleiten

Egal wohin die Reise geht

All die schönen Bilder bleiben

Wenn unsere Zeit gekommen ist. 

 (Aus "Zeit zu gehen", Songtext von Unheilig)

Meine letzten Arbeitstage im Projekt waren sehr emotional. Es war schwierig, mich von den Kindern zu verabschieden, war es doch ein Abschied für immer. Ein Mädchen das immer zum Hausaufgaben machen kommt, meinte zu mir: "Ich werde dich vermissen! Warum musst du überhaupt zurück in dein Land? Kannst du nicht hierbleiben?"

Doch nicht nur die Kinder sind mir ans Herz gewachsen. Zu meiner Spanischlehrerin hatte ich eine besonders enge Beziehung. Sie gab mir nicht nur einmal die Woche bei sich zu Hause mit viel Geduld und Herzblut Einzelunterricht, sondern war für mich auch eine Person, mit der ich über alles reden konnte. Zum Abschied schenkte ich ihr eine Dankeskarte und ein Armkette, sie mir ein spanisches Büchlein mit ecuadorianischen Sagen. Ich versprach ihr, mit dem Spanisch weiterzumachen und mit ihr in Kontakt zu bleiben.

 

Auch der Strasssenerzieher J. war für mich nicht nur ein Mitarbeiter, sondern auch ein guter Kollege, mit dem ich meine Freizeit verbrachte. Wenn er konnte und durfte, nahm er mich mit auf die Strasse und lehrte mich viel über die Soziale Arbeit. Wenn es im Aufnahmezentrum nichts zu tun gab, zeigte er mir, wie man Armbändeli knüpft und brachte mir das Schachspielen bei.

All diese wunderbaren Menschen, die fremde Sprache, die andere Kultur und auch die Arbeit mit den Strassenkindern machten meine Zeit in Ecuador zu etwas ganz Besonderem. Ecuador und die Schweiz sind für mich zwei verschiedene Welten, zwei verschiedene Leben. Ich habe Angst, dass mir zurück in der Schweiz alles nur noch wie ein verschwommener Traum vorkommt. 

Nächsten Freitag landen meine Eltern in Quito und ich kann es kaum erwarten, ihnen auf einer dreiwöchigen Reise das Land näher zu bringen, das ich nun als meine zweite Heimat bezeichne.

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Galapagos - Paradies auf Erden

Es ist alles da, um glücklich auf Erden zu sein.

Wir haben Schnee und jeden Tag einen neuen Morgen,

wir haben Bäume und Regen, Hoffnung und Träume.

Wir haben Humus und Sauerstoff, Tiere und alle Farben,

ferne Länder und Fahrräder, wir haben Sonne und Schatten.

Wir sind reich!

(Friedensreich Hundertwasser)

Türkisgrünes Meer, rötlicher Sandstrand, Seehunde, Riesenschildkröten, Echsen, bunte Fischschwärme, Seesterne, Rochen und Haifische! Nachdem ich nach meinem Aufenthalt im Amazonas bereits das Gefühl gehabt hatte, ich sei im Paradies, erlebte ich diese Woche noch ein Naturwunder. Am Montag flog ich mit meinen Mitvolontären Sophie und Jakob von Quito über Guayaquil auf die Insel Baltra, die zu Galapagos gehört. Wir hatten eine viertägige Bootstour gebucht.

Uns wurde gesagt, wir sollten von Baltra ein Schiffstaxi zur Insel Santa Cruz nehmen und dort den Bus bis in den Süden, wo die Tour beginnen würde. Als wir an Bord unseres kleinen Kreuzfahrtschiffes gingen, realisierten wir, dass die Tour bereits zwei Wochen angedauert hatte und wir noch die letzten vier Tage mit der Reisegruppe verbringen würden. Zur Gruppe gehörten drei US-Amerikanerinnen, zwei Deutsche, ein Ehepaar aus Argentinien mit einer 14-jährigen Tochter sowie vier Thailänder. Abgesehen von der Argentinischen Tochter waren Jakob, Sophie und ich mit Abstand die Jüngsten. Wir hatten es aber von Anfang an sehr lustig mit allen und fühlten uns gut integriert. 

Nach dem Mittagessen machten wir einen Ausflug zum Riesenschildkröten-Reservat auf Santa Cruz. Das Reservat st ein riesiger Park mit Bäumen, Höhlen und Sumpf, in dem die Tiere frei herumkriechen. Das ganze war sehr eindrucksvoll, doch wenn man zu nahe an die Tiere heranging, zogen sie sofort den Kopf ein.

Während der Nacht fuhren wir weiter zur Insel Santiago. Sophie und Jakob übernachteten auf den Liegestühlen auf dem Deck, weil ihnen die Kajüte zu eng war. Ich selbst kann auf Liegestühlen nicht wirklich schlafen, doch die beiden erzählten mir am nächsten Morgen, es sei traumhaft gewesen: Links und rechts, hinten und vorne nichts als das offene Meer und nirgends Land in Sicht! 

Am Morgen erreichten wir Santiago und gingen an Land. Die Insel erinnerte mich landschaftlich ein bisschen an die "Isla de la Plata" vor der Küste von Puerto Lopez, die ich bereits bereisen durfte. Doch dort hatten die Tiere gefehlt, auf Santiago hingegen lagen Seelöwen auf den Felsen in der Sonne, riesige Echsen sowie rote Spinnen krabbelten umher und Meeresschildkröten trieben im Wasser.

Am Nachmittag rüsteten wir uns mit Schnorchel, Taucherbrille und Flossen aus und gingen tauchen. Korallen hatte es keine, dafür viele bunte Fischschwärme, Seesterne, riesige Rochen und sogar Haifische. Zuerst schwammen wir beim Anblick der Haifische panisch weg, doch der Guide erklärte uns, die Tiere seien harmlos. Und tatsächlich, die Haifische schwammen ganz friedlich an uns vorbei. Leider hatte ich keine Unterwasserkamera, um das Spektakel zu fotografieren oder zu filmen.

Am Abend ging die Fahrt weiter zur Insel Bartolomé. Dort machten wir am nächsten Morgen einen Spaziergang auf einen kleinen Vulkan. Von dort hatten wir eine wunderbare Aussicht auf den berühmten "Pinnacle Rock". (Bild unten rechts)

Auf der rechten Seite des Pinnacle Rocks gibt es einen Traumstrand mit rotem Sand. Nach dem Spaziergang fuhren wir mit einem Motorboot dorthin und hatten nochmals die Möglichkeit zum Tauchen. Auch dort war es traumhaft, mit den vielen Fischschwärmen und Haifischen zu schwimmen. Ausserdem sahen wir auf den Felsen Pinguine sitzen. 

Am späten Nachmittag besuchten wir einen Teil der Insel, der vollständig mit versteinertem Lava übergossen ist. Die Sonne brannte vom Himmel und wir gingen eine weite Strecke zu Fuss über die schwarze Masse,

Vom vierten Tag blieb uns nur noch ein halber Tag, da unser Flug zurück nach Quito bereits am Mittag war. Deshalb gingen wir am Morgen früh noch vor dem Frühstück nochmals auf einer kleinen Insel an Land, auf der es noch mehr Seelöwen gab, aber auch viele Vögel, die sich in der Paarungszeit befanden und deshalb sehr bunt waren.

Da die Tour am Donnerstagmittag für die gesamte Reisegruppe zu Ende war, wurden wir mit dem Schiff zur Insel Baltra gebracht und von dort mit dem Bus zum Flughafen. Es war ein sehr schöner und eindrücklicher Aufenthalt auf Galapagos! Um alles zu sehen, reichen aber vier Tage bei Weitem nicht. Man bräuchte mindestens 2-3 Wochen. :-)

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Eine Woche im Urwald bei den Kichwa - Indianern

Amazonas
I can hear you calling
 like a stranger I am rolling home.
 [...]
Amazonas
when the night is falling
I start dreaming of the land I've known.

[...]

Lazy river
oh
how much I missed you
 in the desert of the neon-light.
I know some day I'll be staying with you. 

(Aus "Amazonas", Songtext von Peter, Sue & Marc)

Ich habe eine unglaubliche Woche hinter mir! Wenn man mir vor einigen Jahren gesagt hätte, dass ich die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr einmal im Regenwald bei einer Kiwcha-Familie verbringen würde, hätte ich wohl ziemlich verwirrt dreingeblickt.

 

Genau dies ist wohl das interessante am Leben. Aus einer Busbekanntschaft mit einem jungen Ecuadorianer wurde Freundschaft und durch ihn bekam ich die Chance, eine Kultur kennenzulernen, die mich so sehr interessiert und fasziniert. Die Kiwchas (auch Indigenas) sind die Ureinwohner Ecuadors und leben noch heute in Dörfern der Anden (vor allem in Otavalo) sowie im Amazonas. Mit der Eroberung durch die Spanier vermischte sich das Europäische biologisch wie kulturell mit dem Indigenen und es entstand eine neue Bevölkerungsgruppe, die Mestizen, die heute die Mehrheit der ecuadorianischen Bevölkerung ausmachen. Noch heute ist die Gesellschaft Ecuadors durch ein Klassensystem geprägt, in dem die Indigenas zusammen mit den Afroecuadorianern (Nachfahren der importierten Sklaven aus Afrika) die Unterschicht ausmachen. Von Seiten der Mestizen gab es lange die Vorstellung, dass die Indigenas ausgebeutete arme Landmenschen sind, die seit 500 Jahren in einem Stadium der Unterentwicklung am Rande der Zivilisation vor sich hin vegetieren. Ab Anfang der 1990er Jahre fand jedoch eine starke soziale Bewegung der Indigenas statt. An vielen Orten erwachten sie aus der Opferrolle und der Stolz auf die eigenen Wurzeln und Traditionen wuchs wieder.

 

(Dies alles ist sehr vereinfacht erklärt und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Quelle: Buch "Kulturschock Ecuador", Verlag Reise-Knowhow)

Mein ecuadorianischer Kolleg V. ist in Tena, einer Stadt mitten im Amazonas, die nicht grösser als mein Heimatdorf Grüningen ist, aufgewachsen. Heute wohnt und studiert er in Quito. Seine Eltern sind mehr oder weniger reine Kiwchas, wie er sagt, und leben noch immer in Tena. In den Ferien geht V. jeweils nach Hause und ich durfte nach Weihnachten eine Woche mit ihm und seiner Familie verbringen. V. war bereits drei Tage länger dort als ich und ich reiste ihm nach. Es war das erste Mal, dass ich eine solch lange Strecke alleine reiste, doch ich fühlte mich sicher. Da es in Ecuador keine Busfahrpläne gibt, musste ich mich einige Male durchfragen. Die Menschen sind aber im Allgemeinen sehr hilfsbereit uns so erreichte ich Tena nach etwas mehr als vier Stunden.

Ich wurde sehr herzlich empfangen und gehörte sofort zur Familie. Es waren noch drei Cousinen von V. sowie eine seiner Schwestern dort, die kurz nach meiner Ankunft mit mir in einem Fluss schwimmen gehen wollten. Da realisierte ich, dass ich komplett die falschen Kleider eingepackt hatte. In Quito laufe ich immer mit langen Hosen und je nach Wetter mit Pullover rum. Irgendwie hatte ich nicht realisiert, dass es in den Tropen heiss ist und ich dachte sowieso, lange Hosen seien wegen den vielen Insekten notwendig. Doch so ist es nicht! Es gibt in Tena zwar viele Mücken, jedoch nur harmlose. So ging ich mit den Kleidern schwimmen und lieh mir Shorts von V. Es war mir egal, seit ich in Ecuador bin, bin ich nicht mehr so eitel. Das Schwimmen im Fluss war sehr erfrischend und ich fühlte mich wie im Paradies. Tena ist ein Ort, an dem kleine Kinder bei Sonnenuntergang im Fluss spielen und die Welt noch in Ordnung ist. Ich hatte den Eindruck, dass die Kinder im Amazonas allgemein eine sehr glückliche Kindheit inmitten der Natur erleben, wie auch V. von sich sagt.

Am nächsten Tag ging V. mit mir seine Grosseltern besuchen. Sie leben in einer Hütte noch tiefer im Urwald. V. meinte, er wolle dort zusammen mit mir ein traditionelles Kiwcha-Gericht kochen. Dafür kauften wir in Tena lebendige Fische und nahmen sie in einem Plastiksack mit. Ich fand es gleichzeitig lustig und seltsam, dass die Fische während der gesamten Busfahrt zappelten. V. erklärte mir, es sei das Beste, lebendige Fische zu kaufen. So würden alle Nährstoffe erhalten bleiben und es gäbe keine Chemie im Essen. In der Hütte seiner Grosseltern mussten wir die Fische dann zuerst töten und ausnehmen. Danach wurden sie in spezielle Blätter aus dem Urwald eingewickelt und über dem Feuer gebraten. Währenddessen tranken wir ein traditionelles Getränk aus Mais und Wasser. Ich war sehr beeindruckt vom grossen kulturellen und kulinarischen Wissen von V.

Zu den Fischen assen wir Yucca und gekochte Bananen. Sehr beeindruckend finde ich, dass die Kichwas alles vom Fisch essen, auch den Kopf und die Augen. Ihre Ideologie ist, dass die Natur einem zu Essen gibt und man die Natur nicht respektiert, wenn man Fleisch- oder Fischreste übriglässt. Auch ich bin absolut der Meinung, dass man alles essen soll, wenn man ein Tier tötet. Dennoch musste ich mich überwinden, das Hirn, die Augen und das Herz in den Mund zu nehmen. Es ist eigentlich tragisch, dass wir im Europa meist nur gewisse Teile des Tieres essen und bei einigen Körperteilen die Nase rümpfen.

 

V.'s Grossmutter spricht nur Kiwcha, kein Spanisch. V. hat diese indigene Sprache von ihr gelernt, da er als Kind jeweils seine Ferien bei ihr verbracht hat. Für mich war es irgendwie seltsam, kein Wort zu verstehen als die beiden miteinander sprachen, aber ich fand es wahnsinnig interessant. Kiwcha hat nichts mit Spanisch, geschweige denn mit einer anderen Sprache zu tun, die mir vertraut ist. Später versuchte ich die Zahlen von 1-10 auf Kiwcha zu lernen, doch ich scheiterte bereits an der Aussprache.

Nach dem Essen spazierten V. und ich ein Stück in den Regenwald hinein. V. kennt jede Pflanze und jede Frucht und erklärte mir alles. Ich wusste nicht, dass man das Fleisch der Kakaofrucht auch roh essen kann. Wenn man in Ecuador jemandem sagt, die Schweiz sei für Schokolade bekannt, heisst es immer sofort: "Aaaber der Kakao kommt von uns!!!" Nun habe ich mit eigenen Augen gesehen, wo der Kakao wächst. V. fand irgendwann, er habe jetzt Lust auf eine Orange. Er zog sich an einem hohen Baum hoch und kletterte tief in die Äste. Ich hatte ehrlich gesagt ein bisschen ein mulmiges Gefühl, doch V. hatte dies wahrscheinlich bereits als Kind gemacht. Oben füllte er seinen Rucksack und kam schliesslich heil wieder auf dem Boden an. Die Orangen waren so süss, wie ich sie selten gegessen hatte.

Unten links: Die Kakao-Frucht, unten rechts: Eine Ananas (Leider schlecht erkennbar)

Auf dem Heimweg gingen wir noch in einen Park. Auch dort fühlte ich mich wie im Paradies! Zwischen den Bäumen kletterten Affen umher und Menschen badeten im Fluss.

Wann immer möglich gingen wir in dieser Woche raus in die Natur, badeten im Fluss oder spazierten durch den Wald. Im Amazonas gibt es jedoch immer wieder heftige Regenfälle, so gab es auch Tage, an denen wir nicht viel unternehmen konnten. Dann blieben wir im Haus und vertrieben uns die Zeit mit einem Film. V. zeigte mir noch mehr traditionelle Köstlichkeiten wie ein Getränk aus süssen Bananen. Trinkt man zwei Tassen davon, fühlt man sich, als habe man gegessen. Ich versuchte mir alles zu merken, um zurück in Quito das eine oder andere nachkochen zu können.

Als das Wetter wieder besser wurde, machten wir uns auf den Weg zu einem Wasserfall, um zu baden. Bis vor einem Jahr war der Ort ein Geheimtipp gewesen, doch nun befindet sich dort sogar eine Umkleidekabine und Stricke, um an den Felsen rund ums Wasser hochzuklettern.

Auf dem Rückweg erfuhr ich von V., dass im Regenwald rund um Tena seit mehr als 40 Jahren keine Tiere mehr leben. Auch in den weiter entfernten Wäldern wird leider noch immer gewildert, weit mehr als die Menschen essen können. Das Fleisch der Tiere wird verkauft und vom Erlös kaufen sich die Urwaldbewohner Alkohol und Chips. Eine Entwicklung, die auch V. Sorgen bereitet. Ich war froh, endlich mal mit jemandem tiefgründige Gespräche zu diesem Thema führen zu können. Nie hätte ich gedacht, einmal  einen Experten in Sachen Regenwald vor mir zu haben. V. hat sogar ein Projekt gegründet, um in Zusammenarbeit mit den Ureinwohnern Touren für Touristen im Regenwald anzubieten. Damit will er erreichen, dass die Menschen im Amazonas vom Tourismus leben können und keine Tiere mehr schiessen.

Einen Tag vor Sylvester reisten zwei von V.'s Cousins mit Frau und Kindern an und übernachteten ebenfalls im Haus seiner Eltern. Die Kiwcha-Familien sind alle wahnsinnig gross, fünf Kinder sind das Minimum. Ich fragte V. wie viele Cousins und Cousinen er habe. Daraufhin begann er zu zählen und kam auf 40 (!).(Zum Vergleich: Ich selbst habe gerade mal 4 Cousins) 

Auch die beiden Cousins erzählten mir stolz, sie seien Kichwas. Immer wieder switchten sie zwischen Spanisch und Kichwa hin und her.

In ganz Ecuador ist es Tradition, dass sich an Sylvester die Männer als Frauen verkleiden und so auf die Strasse gehen, um Geld zu erbetteln, das sie danach in Bier investieren. V. kann mit diesem Brauch nicht viel anfangen und so  trafen wir uns stattdessen mit weiteren Verwandten zum Fussballspielen. Anscheinend ist es in Ecuador ebenfalls üblich, an Sylvester gemeinsam Sport zu treiben. Danach gab es noch ein traditionelles Kichwa-Essen, diesmal jedoch ausnahmsweise mit Reis. Die Kichwas kennen ursprünglich kein Besteck, sie essen mit den Händen. Ich fand es lustig, aber auch schwierig, einen Teller Reis mit den Fingern zu essen. Am frühen Abend verliessen V. und ich das Familientreffen und machten uns auf den Weg zurück nach Tena. Es kam kein Bus und die Taxis, die vorbei fuhren, waren alle bereits voll. Irgendwann schafften wir es aber trotzdem, ein Taxi anzuhalten. Die Sitzplätze waren bereits besetzt, es hatte nur noch Platz hinten auf der Ladefläche. So kletterten V. und ich auf die ungeschützte Ladefläche und hielten uns fest, während das Taxi durch die Nacht raste. Ich verspürte gleichzeitig Angst und ein Gefühl von Freiheit. Eigentlich war es ein einziges Abenteuer. Als der Fahrer schliesslich zur Autobahn einbog, wurde es noch intensiver. Schlussendlich hatten wir die Fahrt überlebt, drückten dem Fahrer den normalen Fahrpreis in die Hand und spazierten durch die Stadt zurück zum Haus von V.'s Eltern. Noch immer waren verkleidete Männer auf den Strassen zu sehen, aber auch lebensgrosse Puppen standen bereit. In Ecuador werden an Sylvester Persönlichkeiten in Form von Puppen nachgebaut, die unter dem Jahr negative Schlagzeilen gemacht haben. Um Mitternacht werden diese Puppen dann verbrannt. Komischerweise fühlt sich dadurch niemand angegriffen, auch nicht wenn ein Abbild des Präsidenten verbrannt wird.

Am 1. Januar 2017 packte ich voller Dankbarkeit meinen Rucksack. V.'s Vater fragte mich, wann ich wiederkomme. Schlussendlich meinte er: "Pass auf dich auf - .... und vergiss den Regenwald nicht!"

Nein, das werde ich nicht. Ganz bestimmt nicht. Alle waren so wahnsinnig herzlich und gastfreundlich zu mir gewesen! Es ist erstaunlich, wie viel man in einer einzigen Woche erleben kann! Als V. mich zum Busterminal brachte, hatte ich ein Zitat im Kopf, das ich vor langer Zeit einmal gelesen hatte:

Ich finde, die Idee, dass wir bereichert von einem Ort zurückkehren, ist die beste Betrachtungsweise des Reisens.

(Alain de Botton)

Ich glaube, besser kann man es nicht ausdrücken. Danke!!!!

 

PS: Hier noch ein bekanntes Kichwa-Lied. (Mit Spanischen Untertiteln) Während des Familientreffens an Sylvester lief es andauernd im Hintergrund:

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Feliz navidad! - Weihnachten in Ecuador

Tausende Kerzen können von einer Kerze zum Brennen gebracht werden, dennoch wird das Leben der Kerze dadurch nicht verkürzt. Glücklich sein und Liebe wird niemals weniger, wenn es mit anderen geteilt wird.

(Buddhistische Weisheit)

Dieses Jahr kam ich nicht richtig in Weihnachtsstimmung. Es war während der gesamten Adventszeit um die 25 Grad warm und man konnte im T-Shirt draussen rumspazieren. Ausserdem fehlten die Kerzen und der echte Christbaum. Im Projekt wurde immerhin ein Plastikbaum aufgestellt und wir bastelten Girlanden, um den Hausaufgabenraum zu dekorieren.

Am 20. Dezember gab es am Abend ein Weihnachtsessen für alle Volunteers, die in den Projekten der Salesianer Don Boscos arbeiten. Es fand im Essraum der Schule der Strassenkinder statt und sogar Renato von ICYE Ecuador war eingeladen. Das Essen bestand aus Reis mit Poulet und Wein. Wie immer wenn Pater Paco dabei ist, war die Veranstaltung sehr herzlich und persönlich. Nach dem Essen sangen wir Weihnachtslieder auf Spanisch, Englisch und Deutsch. Danach bekamen alle Volunteers ein Salesianer-Shirt, einen Sack mit Süssigkeiten sowie einen biblischen Kalender. Es war ein sehr schönes Weihnachtsessen.

Am 22. Dezember folgte in meinem Projekt ein Weihnachtssingen. Die Kinder aus den verschiedenen Salesianer-Häusern gaben in Gruppen mit Mikrofon Weihnachtslieder zum Besten.  Es war schön, weil so viele Menschen versammelt waren. Kinder, Erzieher und Volunteers.

Das richtige Salesianer-Weihnachtsfest fand einen Tag später statt. Am Nachmittag trudelten Kinder, Eltern, Geschwister, Cousins, Erzieher und Volunteers ein. Auf dem Teerplatz vor dem Projekt wurden verschiedene Spiele gespielt, bei denen man Süssigkeiten gewinnen konnte. Danach gab es eine Theatervorführung von einem Clown und einem Roboter. Zudem hatte einer der ecuadorianischen Volunteers seine Gitarre dabei und stimmte zur Auflockerung immer wieder Weihnachtslieder an. Zum Schluss gab es ein Nachtessen im Projekt, das einige Eltern der Kinder während des Nachmittags gekocht hatten.

Den Heiligabend verbrachte ich bei einem Essen mit meiner Gastfamilie und ihren Verwandten. Es dauerte bis in alle Nacht hinein und es wurde viel getanzt. Im Allgemeinen realisierte ich gar nicht, dass wir Weihnachten feierten. Alles war ziemlich anders als in der Schweiz.

 

Ab Montag habe ich eine Woche Ferien und ich werde zu einem ecuadorianischen Kollegen in den Dschungel reisen. Kennengelernt habe ich ihn

eines Abends im Bus. Er erzählte mir, er sei im Regenwald aufgewachsen, studiere jetzt aber in Quito. Er sei ein Kiwcha, ein Ureinwohner. Seine Eltern wohnen noch immer in der Dschungel-Stadt Tena und er lud mich ein, ihn in den Tagen nach Weihnachten dort zu besuchen.  Ich bin gespannt auf diese ganz andere Welt im ecuadorianischen Amazonas. Ich werde euch davon berichten!

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ICYE-Final-Camp vom 23.-25. November 2016

Keiner kommt von einer Reise so zurück, wie er weggefahren ist.
(Graham Greene)

Die meisten Volunteers, die mit ICYE nach Ecuador gehen, bleiben ein ganzes Jahr. Sie besuchen zu Beginn ein Einführungslager, nach einem halben Jahr ein Midterm-Camp und kurz vor der Heimreise ein Final-Camp. Es gibt aber auch Spezialfälle wie mich, die nur sechs, sieben oder acht Monate bleiben. Für uns Spezialfälle gibt es kein Midterm-Camp, deshalb nahmen wir am Final-Camp derjenigen Freiwilligen teil, die bereits seit letztem Januar hier sind und in zwei Monaten in ihr Heimatland zurückfliegen werden. In diesem dreitägigen Lager drehte sich bereits alles ums Thema Heimkehr. Für mich war es ein bisschen seltsam, da ich noch vier weitere Monate in Ecuador bleiben werde. Die Theorieblöcke und Diskussionen waren jedoch sehr lehrreich und werden mir helfen, wenn auch für mich der Moment des Abschieds kommen wird.

Zuerst erhielten wir ein plakatartiges Papier und mussten darauf uns selbst in Körpergrösse zeichnen. Dabei galt es, die linke Körperhälfte so zu zeichnen, wie wir vor unserer Abreise waren und die rechte so, wie wir jetzt sind. Es waren äusserliche wie auch charakterliche Merkmale zu berücksichtigen. Für mich selbst war es krass zu sehen, wie sehr ich mich schon nach nur vier Monaten verändert habe. Wie die meisten anderen habe auch ich mehr Kilos auf den Rippen und längere Haare. Ich kann auch sagen, dass ich jetzt Erfahrung im Umgang mit schwierigen Kindern habe sowie mehr Lebenserfahrung und Toleranz. Ich bin selbstständiger und selbstbewusster geworden. Eindrücklich war für mich auch, dass Renato und Belén von ICYE Ecuador in diesem Lager nur Spanisch mit uns sprachen und es für mich überhaupt kein Problem war. Das Einführungslager im August war komplett auf Englisch gewesen und Renato hatte uns damals gesagt, das nächste Camp würde auf Spanisch sein. Dies hatte mir ein bisschen Angst gemacht und ich hatte mir nicht vorstellen können, wie ich das durchstehen würde. Doch mittlerweile spielt es für mich keine Rolle mehr, ob jemand Englisch oder Spanisch mit mir spricht. Ich verstehe beides gleich gut.

Wir spielten auch Rollenspiele über schwierige Situationen, die wir bei unserer Rückkehr im Heimatland antreffen könnten. Ein Szenario könnte sein, dass wir das Leben vermissen, das wir in Ecuador geführt haben und am liebsten wieder zurückgehen möchten. Wir diskutierten verschiedene Möglichkeiten, wie man ein Stück Ecuador in seinem Leben behalten kann.

Ein weiteres Theaterszenario war, dass wir zurück in unser Heimatland kommen und die Menschen uns vorwerfen, Ecuador habe uns negativ verändert. Dies kann passieren, wenn wir ecuadorianische Eigenschaften wie Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit oder übertriebene Lockerheit mit nach Hause nehmen. Es kann auch vorkommen, dass wir uns von unseren alten Freunden unverstanden fühlen und sie unsere Geschichten aus Ecuador gar nicht hören wollen.


Am letzten Abend machten wir alle zusammen ein Lagerfeuer. Es war sehr gemütlich, wir brieten Schlangenbrot und Schokobananen.

Es war ein sehr schönes Camp und ich bin einmal mehr dankbar, dass ich mit ICYE hier bin. Von dieser Organisation fühle mich sehr gut begleitet und betreut.

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Salesianer-Fest im Projekt

Das Beste, was wir auf der Welt tun können, ist Gutes tun, fröhlich sein und die Spatzen pfeifen lassen.

(Giovanni Don Bosco)

 

Heute gab es in meinem Projekt ein Fest zu Gunsten von Pater Ivano Zanovello. Es war sein neunter Todestag, doch wir feierten ihn als Mensch und sein Engagement für die Strassenkinder Ecuadors. Pater Ivano Zanovello war ein wichtiger Träger des Programmes „Chicos de la calle“ und gründete 1998 die Fussballschule G.o.l.a.s.o für Strassenkinder in Quito. Der Pater war mir schon vor dem Fest ein Begriff, denn im Aufnahmezentrum, wo ich arbeite, hängen grosse Banner an den Wänden mit Fotos von ihm.

Am Morgen wurden auf dem Teerplatz vor meinem Projekt eine Bühne, Lautsprecher und Stühle aufgebaut. Es reisten Kinder, Erzieher und Volunteers von allen „Chicos de la calle“-Projekten in ganz Ecuador an. So auch meine Schweizer Kollegin Rabea aus dem Aufnahmezentrum in Ambato, Xenia und Jakob aus der Strassenkinder-Schule, sowie Luisa und Tobias aus G.o.l.a.s.o.

 

Pater Paco, der aktuelle Pater, hielt eine Rede und danach gab es für die Kinder ein Quizspiel mit Fragen zum Leben von Pater Ivano Zanovello. Dieses wurde immer wieder durch Showeinlagen und Tanzvorführungen von Kindern der verschiedenen Projekte unterbrochen. Es war sehr süss, weil die Kleinen zum Teil traditionelle Kleider trugen.

Als die Veranstaltung zu Ende war, gingen wir alle gemeinsam in die Kirche nebenan, um einen Gottesdienst zu feiern. Es war richtig schön, obwohl ich selbst nicht gläubig bin. Die Kirche war voll mit Kindern, Erziehern und Volunteers und Pater Paco brachte uns einmal mehr die Ideologie Don Boscos nahe.

 

Die Salesianer haben auch ein eigenes Lied, das wir jeweils singen. Es ist das folgende:

 

Nach dem Gottesdienst bekamen wir noch alle etwas zu essen und dann ging ich mit meinem Mitarbeiter Jairo und anderen Volunteers in die wohl besten Konditorei Quitos, um eine heisse Schokolade zu trinken. Es war ein sehr schöner Nachmittag!

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Von Esmeraldas über Mompiche, Canoa und Puerto Lopez bis Montañita - 5 Tage entlang der Pazifikküste

Denn unsere Tage gehen vorbei

- das wird sowieso passieren -

und bis dahin sind wir frei,

und es gibt nichts zu verlieren.

Das Leben, das wir führen wollen,

wir können es selber wählen.

Also los, schreiben wir Geschichten,

die wir später gern erzählen.

(Julia Engelmann in "Eines Tages, Baby")

Diese Arbeitswoche war sehr kurz, wegen Feiertagen begann unser Wochenende bereits am Mittwoch. Meine Freundin und Mitvolontärin Sophie hatte deshalb die Idee, am Dienstagabend den Nachtbus nach Esmeraldas zu nehmen und dann innerhalb von 5 Tagen mit dem Bus die gesamte Pazifikküste bis Montañita runterzufahren.Ich willigte sofort ein mitzukommen und nach und nach schlossen sich noch 8 weitere Personen unseren Plänen an: Meine Schweizer Kolleginnen Fatma, Xenia und Rabea, die Österreicher Laurin und Tobias, der Deutsche Timo, die Finnin Veera und mein Ecuadorianischer Mitarbeiter Jairo.

Ich war im Vornherein ein bisschen skeptisch bei so einer grossen Reisegruppe, doch ich freute mich wahnsinnig. Fünf Tage in Hotpants am Strand, Tierbeobachtungen in Puerto Lopez, Party in Montañita - und dies alles im November, in einem Monat, in dem es zu Hause in der Schweiz grau und kalt ist!

Laurin, Tobias, Sophie, Jairo, Veera, Xenia, Fatma und ich trafen uns am Dienstagabend um halb 10 Uhr beim Busbahnhof "Quitumbe". Ganz Quito schien dort versammelt, über das lange Wochenende fuhren alle an die Küste oder ans Stadtfest nach Cuenca. Mit ecuadorianischer Verspätung stiegen wir in unseren Nachtbus nach Esmeraldas und machten es uns bequem. Ich persönlich finde Langstreckenfahrten in der Nacht ganz gemütlich, es ist draussen dunkel, es hat fast keinen Stau und man kann schlafen. Das einzige, was mich stört, ist, dass die Klimaanlage dauernd läuft und ich jeweils fast erfriere. Am Dienstagabend verfluchte mich einmal mehr, keine Wolldecke mitgenommen zu haben. Spätestens nach dem letzten Bustrip nach Guayaquil hätte ich es wissen müssen.

Nach sechs Stunden Fahrzeit erreichten wir um vier Uhr morgens Esmeraldas. Die Stadt ist hässlich, gefährlich und schmutzig und es gibt wirklich keinen Grund, sich länger dort aufzuhalten. Deshalb stiegen wir gleich anschliessend in den nächsten Bus Richtung Süden und fuhren nochmals vier Stunden. Schliesslich kamen wir in Mompiche an, einem kleinen Fischerdorf mit Weltklassewellen und traumhaftem, 7 km langem, unberührtem Sandstrand. Wir merkten sofort, dass die Küste eine ganz andere Welt ist als die Millionenstadt Quito. Auf der Strasse stolzierten Hühner umher, vor jedem Haus sah man Hängematten und das Klima war drückend heiss.

Zuerst bezogen wir unser Hostel, legten uns in die Hängematten auf der Terrasse und ruhten uns von der langen Reise aus. Nach einer halben Stunde stiessen Rabea und Timo zu uns, die von Ambato aus angereist waren. Gemeinsam machten wir uns auf zum Strand, wo uns einheimische Männer sofort zu sich winkten und mit dem Finger aufs Meer hinauszeigten. Weit aussen konnte man Delfine sehen, wie sie Sprünge machten. Leider war das ganze Spektakel zu weit weg um gute Fotos zu schiessen. Die Männer boten uns eine Bootsfahrt für 10$ pro Person an, um uns auf einige Inseln zu fahren. Wir willigten ein.

Die Wellen waren wahnsinnig hoch und das Boot drohte jederzeit zu kippen. Es war eine sehr abenteuerliche Fahrt und wir sagten uns immer wieder gegenseitig lachend, dass die Männer uns jetzt auf eine einsame Insel entführen und ausrauben würden. (Was natürlich alles andere als lustig gewesen wäre!) Die Männer luden uns schliesslich auf zwei verschiedenen Inseln ab und kamen nach einigen Stunden zurück. Unterdessen hatten wir Zeit um zu baden und die Sandinseln zu erkunden. Die Sonne schien leider nicht, doch heiss war es trotzdem.

Als wir von der Bootsfahrt zurückkamen, regnete es und so liessen wir den Abend gemeinsam in den Hängematten ausklingen.

 

Am nächsten Morgen fuhren wir weiter nach Canoa, in ein verschlafenes Dörfchen mit einem hübschen Strand an einer malerischen Steilküste. Es war eine lange Fahrt und als wir ankamen, gingen wir sofort an den Strand.

Wir schlürften Kokosnusssaft, badeten und genossen den Sonnenuntergang am Strand. Die Kombination von wenig Schlaf und Äquatorsonne ist bei mir jedoch sehr kritisch und so verbrachte ich den Abend mit Migräne im Bett, während die anderen Tanzen gingen.

Am Freitag mussten wir wieder früh aufstehen, denn es ging noch einmal ein Stück weiter südlich nach Puerto Lopez. Es war eine lange Fahrt und wir erreichten den Ort am späten Nachmittag. Unser Hostel befand sich auf einem Hügel oberhalb vom Strand. Es hatte jedoch Mototaxis, die uns für 50 Cent zwischen Hostel und Strand hin und her chauffierten. Den Rest des Tages verbrachten wir am Meer und als es schon lange dunkel geworden war, sassen wir noch immer im Sand und lauschten dem Rauschen Wellen.

Am Samstagmorgen buchten wir eine Tour auf die "Isla de la Plata". (Auf Deutsch: "Silberinsel") Wir hatten hohe Erwartungen, denn in den Reiseführern wird die Insel als "Abbild einer Galapagos-Insel" beschrieben.  Wir fuhren eine Stunde mit dem Boot auf die Insel und als wir ankamen, sahen wir Meeresschildkröten im Wasser. Wir stiegen aus und wurden in zwei Gruppen geteilt. Die eine Gruppe wanderte in die Höhe hinauf und meine Gruppe runter zur Küste. Unterwegs sahen wir verschiedene Pflanzen und Blaufusstölpel, eine spezielle Vogelart. Die Aussicht auf die Klippe war wunderbar. Als wir wieder ins Boot stiegen, hatten wir noch die Möglichkeit, vor der "Isla de la Plata" zu schnorcheln.

Die Tour dauerte länger als ursprünglich abgemacht und wir mussten uns beeilen, da wir an diesem Abend unbedingt noch nach Montañita weiterfahren wollten. Jairo, Franklin und Tobias  waren sich dies irgendwie nicht so bewusst, auf dem Rückweg zu Hostel beschlossen sie kurzerhand, mit einer Gruppe Jugendlichen am Strassenrand eine Runde Volleyball zu spielen. Als wir anderen bei unseren Zimmern ankamen und unsere Rucksäcke packten, merkten wir, dass die drei fehlten. Das Handy nahmen sie natürlich nicht ab und der letzte Bus nach Montañita fuhr in zehn Minuten. Uns blieb nichts anderes übrig, als ohne sie zum Busbahnhof zu gehen. Kurz bevor der Bus abfuhr, nahm Jairo das Handy ab. Die drei waren auf dem Weg ins Hostel, um die Rucksäcke zu holen. Wir baten den Chauffeur, auf die drei zu warten, doch er war alles andere als begeistert. Wahrscheinlich war dies seine letzte Fahrt vor Feierabend. So stiegen wir ein und Laurin brachte den Busfahrer irgendwie dazu, dass er mit dem gesamten Bus die enge und holprige Strasse zum Hostel hochfuhr, um unsere drei Kollegen abzuholen. Die anderen Fahrgäste mussten sich wirklich gewundert haben, was hier ablief. Franklin, Jairo und Tobias schafften es in letzter Minute einzusteigen und endlich konnten wir losfahren.

Es war bereits dunkel, als wir in Montañita ankamen. Wir bezogen ein gemütliches Bungalow und gingen nach diesem langen und anstrengenden Tag endlich etwas essen. Uns alle zog es in ein italienisches Restaurant. Ich hätte es nie gedacht, doch nachdem man sich drei Monate lang nur von Reis, Kochbananen und Poulet ernährt hat, sind Pizza, Lasagne und Spaghetti wie Himmel auf Erden. Nach dem Essen schlenderten wir durch die Partymeile, überall lief Musik und die Bars befanden sich unter freiem Himmel. Wir tranken etwas und tanzten ein wenig. Wir waren aber alle todmüde und als die anderen noch runter zum Strand gingen, legte ich mich ins Bett und schlief sofort ein.

Am Sonntagmorgen kehrten wir nach Puerto Lopez zurück und nahmen von dort den Bus zurück nach Quito. Die Strecke beträgt 10 Stunden und ich hätte es bevorzugt, in der Nacht zu fahren. Da wir aber auch den letzten Abend voll und ganz an der Küste auskosten wollten, blieb uns nichts anderes übrig, als am Tag zurückzufahren. Der Bus war nicht so komfortabel wie der Nachtbus, die Sitzlehnen konnte man nicht ganz so weit nach hinten lassen und man hatte weniger Platz für die Beine. Es war taghell draussen, als wir versuchten zu schlafen, damit die Zeit schneller vorbeiging. Doch in Ecuador hat es überall Schlaglöcher in der Strasse und die Busfahrer  fahren immer in einem viel zu tiefen Gang. Dies hat die Folge, dass der Bus regelmässig Sprünge macht und man dabei hin und her geschlagen wird. In der Nacht war dies alles irgendwie auszuhalten gewesen, aber am Tag war es echt der Horror! Nach 8 Stunden Fahrt kamen wir dann natürlich in den Stau und die Fahrt verzögerte sich um eine Stunde. 

 

Zu Hause angekommen wusch ich noch alle Kleider, um auch noch die letzten Sandresten zu entfernen. Der Küstentrip selber wird mir aber noch lange in Erinnerung bleiben: Die schönen Strände, die bezaubernden Küstendörfer, aber vor allem die wunderbaren Menschen, mit denen ich reisen durfte.

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Trip nach Otavalo & Ibarra

In den besten Reisebeschreibungen interessiert uns doch der Reisende am meisten, wenn er sich nur zeigen mag. Wer eine Reise beschreibt, beschreibt damit sich immer auch selber.
(Jean Paul)

Otavalo ist eine Stadt im Norden Ecuadors und eines der grössten Handelszentren für Kunsthandwerk in Lateinamerika. Jeden Tag verkaufen dort Händler Wollwaren wie Teppiche, Wandbehänge, Decken, Ponchos Pullover, Hängematten, Schnitzereien, Perlen und Gemälde. Am Samstag ist jedoch offizieller Markttag und der Markt nimmt das halbe Stadtzentrum ein. Meine Mitvolontärin Sophie und ich wollten uns diesen Markt ansehen und beschlossen, das Wochenende in Otavalo zu verbringen.

Am frühen Samstagmorgen erreichten wir Otavalo nach einer zweistündigen Busfahrt. Ich wollte unbedingt auf den Viehmarkt, der laut meinem Reiseführer ebenfalls jeden Samstag dort stattfindet. Sophie und ich waren uns bewusst, dass wir unschöne Dinge sehen würden, doch wir waren neugierig auf die Atmosphäre mitten unter quiekenden Ferkeln und Säcken voller Meerschweinchen.

Für einen Dollar konnte man einen Hundewelpen kaufen, der noch viel zu klein war, um von der Mutter getrennt zu werden. Die Küken wurden in Papiersäcken verkauft, als seien sie Äpfel oder Birnen.  Die süssen Meerschweinchen waren zum Schlachten und Essen gedacht und nicht, um als Haustier gehalten zu werden. Sophie und ich konnten fast nicht hinsehen, doch wir fanden es aufregend, auf einem richtigen lateinamerikanischen Tiermarkt zu sein.

Nach einer Stunde kam Lara, eine Freundin von Sophie, und schloss sich uns an. Zu dritt gingen wir auf den Kunsthandwerksmarkt. Für mich ist es noch immer sehr ungewohnt, dass man auf diesen Märkten feilschen muss. Die Händler sagen einen absichtlich hohen Preis, damit man ihn "hinuntermarkten" kann. Die Atmosphäre war einmalig und wir verbrachten den ganzen Nachmittag auf dem Markt.

Ein Verkäufer an einem Schmuckstand erzählte uns, dass er immer in Ecuador, Kolumbien und Brasilien auf den Märkten unterwegs sei. Er fragte uns, ob wir am liebsten Sterne, Blumen oder Musik hätten. Sophie und ich sagten Musik und Lara sagte Blumen, woraufhin der Mann uns aus einem Stück Draht einen entsprechenden Ring bastelte.

Wir übernachteten in einem günstigen, aber sehr komfortablen Hostel im Zentrum von Otavalo. Am Sonntagmorgen brachen wir früh auf, weil wir den Wasserfall "Cascada de Peguche" besichtigen wollten, der sich ausserhalb von Otavalo befindet. Wir spazierten durch einen wunderschönen Naturpark und erreichten schliesslich den Wasserfall.

Natürlich hätte es in und um Otavalo noch vieles zu besichtigen gegeben, doch wir entschieden uns, mit dem Bus nach Ibarra weiterzufahren. Ibarra ist eine Stadt noch weiter nördlich, fast an der Grenze zu Kolumbien. Wir waren neugierig, weil wir im Reiseführer gelesen hatten, dass die gesamte Stadt weiss getüncht sein soll. Als wir ankamen, waren wir jedoch ernüchtert. Es hatte zwar viele weisse Häuser, doch wahnsinnig spektakulär sah es nicht aus. Wir besichtigten einige Kirchen und gingen dann in "die beste Eisdiele in ganz Ecuador", die sich laut unserem Reiseführer in Ibarra befinden soll.

Ich hatte gelesen, dass der Inkakönig Huayna Capac im 15. Jahrhundert zwei Kilometer ausserhalb des heutigen Ibarra einen Sonnentempel errichten liess. Sein Sohn Atahualpa, der letzte Inkakönig, soll in diesen Gemäuern geboren worden sein. Der Komplex war auf vier Terrassen gebaut und von einer sind heute noch unter der Gemeindekirche "Iglesia del Señor del Amor" Grundmauern vorhanden. In meinem Reiseführer steht, dass sich hinter der Kirche der Garten der Familie Flores befindet. Man könne an die Haustüre klopfen und dann werde man in den Garten geführt, in dem noch rund 60m der Ostmauer der einst grössten Tempelterrasse vorhanden seien. Zitat aus meinem Reiseführer: "Einige trapezförmige Fenster und Türen sind noch derart gut erhalten, dass man meint, den unsterblichen Blick Atahualpas im Nacken zu spüren."

Dies machte mich natürlich neugierig und ich wollte die Überresten des Tempels unbedingt sehen. Sophie und Lara sind nicht so geschichtsinteressiert wie ich, doch ich konnte sie schlussendlich überreden hinzugehen.

Die Kirche "Iglesia del Señor del Amor"

Wir kamen uns seltsam vor dabei, an die Tür eines privaten Hauses zu klopfen und zu fragen, ob wir den Garten besichtigen dürfen. Ein Mann mittleren Alters öffnete, den wir gerade beim Essen gestört hatten. Als wir ihn fragten, ob wir reinkommen dürfen, zögerte er einige Sekunden, sagte dann aber: "Also gut, kommt!".

Wir traten ein, gingen quer durchs Haus und fanden uns in einem riesigen Garten wieder, der von antiken Mauern umgeben war.

Der Mann fragte uns, von wo wir kämen, was wir in Ecuador machten und erzählte uns, dass jede Woche Touristen kämen, um seinen Garten anzuschauen. Sophie und Lara waren von den Mauern zwar nicht so fasziniert wie ich, doch sie fanden die Besichtigung des Gartens bei einer Familie, die wir nicht kannten, ebenfalls ein lustiges Erlebnis.

 

Als wir nach Ibarra zurückkehrten, war es bereits später Nachmittag und so nahmen wir den Bus zurück nach Quito. Wie nach jedem Ausflugswochenende bin ich todmüde, aber zufrieden, so viel neues gesehen und erlebt zu haben.

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Stadtrundfahrt durch das "Centro histórico"

Ich nehme mir die Zeit,

auf die Dächer der Stadt zu gehen,

dem Leben zuzusehen,

still zu stehen,

alles wirkt so klein,

unscheinbar entfernt und weit,

das Leben pulsiert hier,

weit weg von mir.

(Aus "Lichter der Stadt", Songtext von Unheilig)

Die Altstadt von Quito gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ich war nur einmal dort, auf einem Ausflug mit ICYE Ecuador, bei dem ich aber bei weitem nicht alles gesehen hatte. Deshalb schlug mein ecuadorianischer bester Freund Bernardo vor, am Sonntag mit dem Touristenbus eine Tour zu machen, um verschiedene Sehenswürdigkeiten zu besichtigen.

Als ich meiner Mitvolontärin Sophie von meinen Plänen erzählte, meinte sie, sie wolle dies auch unbedingt mal machen. Ich war sicher, dass sie und Bernardo sich gut verstehen würden und so lud ich sie ein, mit uns mitzukommen. Wir trafen uns um 10 Uhr morgens beim "Quicentro", einem Shoppingcenter in Quito. Der Bus fuhr von dort los und hielt bei verschiedenen Stationen, bei denen man aussteigen und eine Stunde verweilen konnte, bis der nächste Bus kam. Die erste Station, bei der wir rausgingen, war die "Basílica del Voto Nacional", eine riesige gotische Kirche, deren Bau 1926 begonnen und sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt hatte.

Die Kirche hat zwei Türme, auf die man hinaufklettern kann. Dazu muss man unten ein Ticket lösen und bezahlen. Der Mann am Schalter verlangte eine Passkopie und ich hatte nicht daran gedacht, eine mitzunehmen. Bernardo meinte grinsend: "Dumme Cheib!" Ich musste lachen, denn diesen Ausdruck hatte er letztes Jahr während seinem Freiwilligeneinsatz in einem Schweizer Behindertenheim gelernt.

 

Zum Glück fand ich auf meinem Handy ein Foto meines Visums und zeigte es dem Mann. Zuerst wollte er es nicht akzeptieren, doch dann sagte Bernardo irgendwas zu ihm in einem schnellen Spanisch, das ich nicht verstand. Daraufhin händigte mir der Mann doch noch ein Ticket aus. Es war echt praktisch, einen Einheimischen dabeizuhaben. :-)

Sophie blieb unten, weil sie Höhenangst hat und so machten Bernardo und ich uns auf den Weg. Zuerst bestiegen wir eine enge Wendeltreppe und erreichten immer wieder Zwischenstockwerke mit Terrassen, auf denen wie die Aussicht geniessen konnten.

 

Danach wurde es aber weniger komfortabel, um weiter nach oben zu kommen musste man steile Eisenleitern hochklettern. Es war ziemlich abenteuerlich und vielleicht auch ein bisschen gefährlich. Atemlos kamen wir oben an und wurden mit einem noch schöneren Ausblick auf Quito belohnt.

Als wir wieder unten waren, fuhren wir mit dem Bus weiter das "Panecilla" hoch. "Panecilla" bedeutet auf Deutsch "Brötchen" und ist ein etwa 200m hoher Hügel mitten in Quito, der in der gesamten Stadt sichtbar ist. Auf dem Hügel steht das Aluminium-Monument einer Madonna, die wie eine Schutzgöttin über Quito wacht. Bis jetzt hatte ich die Figur immer nur von weitem gesehen, doch jetzt konnten wir sie aus nächster Nähe betrachten.

Auch den Sockel der Statue kann man besteigen, doch dies war uns zu teuer. So beschlossen wir, eine Pause einzulegen. In der Nähe der Statue hatte es Markt- und Touristenstände. Bernardo fand, wir müssten unbedingt die heisse Schokolade probieren, die eine alte Frau an einem Stand zusammenbraute. Doch als Sophie und ich davon tranken, verzogen wir das Gesicht. Das Getränk schmeckte, als sei es mit Wasser gestreckt worden. Da wurde uns schlagartig wieder klar, dass wir in Ecuador sind und nicht in der Schweiz oder in Deutschland. :-)

Mit dem Bus fuhren wir zurück ins Zentrum der Altstadt, denn es war bereits später Nachmittag. Dort besichtigten wir eine weitere Kirche. Vor der Kirche gab es eine riesige Baustelle, denn vor kurzer Zeit hat man in Quito mit dem Bau einer U-Bahn begonnen. Ich persönlich bin kein Fan von U-Bahnen. Doch wahrscheinlich würde es in Quito vielen Pendlern den Alltag erleichtern, da es das Busnetz entlasten und hoffentlich die vielen Abgase verringern würde. Bernardo erzählte mir jedoch, dass die Bauarbeiter auf archäologische Funde gestossen seien und sich der Bau deshalb verzögern würde.

Um halb fünf war unsere Busrundfahrt zu Ende. Sophie traf sich mit Bekannten und Bernardo und ich gingen im "Quicentro" etwas essen. Wir waren aber beide todmüde von diesem Sightseeing-Tag und schliefen fast ein. Es war ein toller Tag mit zwei tollen Menschen! :-)

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Hausbesuch ohne Erfolg

Reisen ist nicht immer schön.

Manchmal tut es weh, es bricht dir sogar das Herz.

Aber das ist okay. Die Reise ändert dich. Sie sollte dich ändern.

Sie hinterlässt Spuren in deiner Erinnerung, in deinem Bewusstsein, in deinem Herzen und auf deinem Körper.

Du nimmst etwas mit dir und lässt hoffentlich etwas Gutes zurück.

(Anthony Bourdain)

Gestern musste ich eine Stunde früher im Projekt sein, weil wieder ein Hausbesuch bei der Familie eines Kindes geplant war. Die Sozialarbeiterin und ich fuhren fast zwei Stunden mit dem Bus und mussten mehrmals umsteigen. Schliesslich kamen wir in einem ärmeren Viertel im Süden Quitos an. Diesmal erlaubte ich mir einige Fotos zu machen:

Es war abgemacht, dass uns das Kind bei der Busstation abholt und uns zum Haus begleitet. Doch es kam niemand, wir warteten eineinhalb Stunden vergebens. Ich wurde furchtbar müde und langweilte mich sehr. Irgendwann entschied die Sozialarbeiterin, dass wir auf eigene Faust das Haus aufsuchen. Wir fragten uns bei mehreren Leuten durch und irgendwann waren wir bei dem Haus, in dem die Familie wohnen sollte:

Wir klopften an die Tür und riefen den Namen des Kindes , doch es öffnete niemand. Das Haus war verlassen. Wir warteten nochmals eine halbe Stunde in der Hoffnung, dass doch noch jemand öffnen würde. Als dies nicht der Fall war, machten wir uns auf den Rückweg und fuhren den langen Weg zurück ins Projekt. Ich war ziemlich frustriert, denn wir hatten den ganzen Tag mit Busfahren und warten verbracht.

 

Als wir im "mi caleta" ankamen, waren die Kinder gerade bei den Hausaufgaben. Ich setzte mich zu ihnen und war froh, doch noch etwas Sinnvolles tun zu können. Die Kinder waren echt süss, viele winkten mir zu und riefen: "Ayúdame, ayúdame!" (Hilf mir, hilf mir!)

Manche brauchen aber jeweils gar nicht wirklich Hilfe, sie wollen einfach, dass sich jemand zu ihnen setzt und bei ihnen ist. Andere kommen, weil ihre Eltern keine Schulbildung haben und ihnen nicht helfen können. Dann ist das meine Aufgabe. Manchmal bin ich jedoch ebenfalls überfordert. Ein Mädchen hatte Hausaufgaben in "Sprache". Es war ein Satz gegeben (auf Spanisch natürlich), der je nach Kontext verschiedene Bedeutungen haben kann.  Die Aufgabe war es, alle Bedeutungen aufzuschreiben. Ich selbst war schon froh, dass ich eine einzige Bedeutung davon verstand. :-) Zum Glück ist Marco noch da, ein ecuadorianischer Volunteer. In solchen Situationen kann er besser helfen als ich.

Am Abend war ich ein bisschen frustriert, dass die Sozialarbeiterin und ich den ganzen Morgens vergebens unterwegs gewesen waren. Ein Mitarbeiter erklärte mir jedoch, dass einige Familien sich schämen, wenn jemand in ihr Haus kommt und sieht, in welchen Verhältnissen sie leben. Deshalb sind sie manchmal absichtlich nicht zu Hause, wenn ein Hausbesuch angekündigt ist. Dies gab mir sehr zu denken und ich fragte den Mitarbeiter, weshalb die Sozialarbeiter denn Hausbesuche machen, wenn die Familien dies teilweise gar nicht wollen. Er erklärte mir, dass es sehr wichtig ist, die Umstände und die Situation jedes Kindes genau zu kennen, wenn man nach nachhaltigen Lösungen suchen will. Dazu gehöre auch zu wissen, wie und wo die Kinder wohnen.

Obwohl ich in einem sehr kleinen Haus mit wenigen Kindern arbeite, kann ich hier sehr viel lernen. Für mein zukünftiges Studium und für mein Leben. Es gibt hier viele Situationen, die ich während einem Vorpraktikum in der Schweiz wohl nie angetroffen hätte. Dazu kommt, dass ich dies alles in einer Fremdsprache mache. Einer Fremdsprache, die ich vor meiner Abreise kaum beherrschte. Ab und zu denke ich, dass ich später einmal zurückblicken und stolz auf mich sein kann.  

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Salesianer-Treffen in Guayaquil

Noch nie habe ich einen Menschen erlebt, der im Angesicht des Todes beklagt hätte, zuviel Gutes getan zu haben.

(Giovanni Don Bosco)

Das Sozialprojekt "Chicos de la calle" der Salesianer Don Boscos gibt es in sieben Grossstädten Ecuadors: In Quito, Ambato, Guayaquil, Cuenca, Esmeraldas, San Lorenzo und Santa Domingo. Zurzeit leisten in diesen Projekten gesamthaft 28 Jugendliche einen Volontäreinsatz. Darunter sind Volunteers von ICYE wie ich, junge Männer aus Österreich, die ihren Zivildienst auf diese Weise absolvieren, und ecuadorianische Freiwillige, die alle sehr gläubig sind und aus religiösen Gründen mitarbeiten. Zweimal pro Jahr findet ein Treffen für all diese Freiwilligen statt, so dieses Wochenende in Guayaquil.

Alle Volunteers, die zurzeit in den Projekten der Salesianer Don Boscos arbeiten

Laurin und Tobias aus Österreich, Jakob aus Deutschland, Xenia aus der Schweiz und ich sollten am Freitagabend um 22:10 Uhr in Quitumbe, einer Busstation im Süden Quitos, den Nachtbus nach Guayaquil nehmen. Deshalb machten wir ab, uns um 22:00 Uhr in Quitumbe zu treffen. Ich bestellte einen Taxifahrer, der leider eine Viertelstunde zu spät kam. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass ich es trotzdem noch pünktlich schaffen würde. Um 22:01 Uhr standen wir noch immer im Stau und Jakob rief mir verzweifelt aufs Handy an: In neun Minuten würde der Nachtbus abfahren. Zum Glück sah ich die Busstation in der Ferne und so drückte ich dem Taxifahrer 15 Dollar in die Hand, stieg aus und rannte die letzten Meter. Als ich den Nachtbus erreichte, streckten mir meine Volunteer-Kollegen mein Ticket entgegen und wir konnten in letzter Minute noch einsteigen.

Die Sitzlehnen konnten wir zum Glück weit nach hinten lassen und so machten wir es uns bequem. Wir hatten eine 7stündige Fahrt bis Guayaquil vor uns und versuchten zu schlafen. Doch einfach war es nicht, denn der Bus rüttelte und schüttelte, raste um die Ränke und die Klimaanlage sorgte für eine Kälte, die nicht angenehm war. Ich hatte nicht daran gedacht eine Wolldecke mitzunehmen und so schlotterte ich die halbe Nacht. Irgendwann muss ich aber doch eingenickt sein, denn Laurin weckte mich ziemlich unsanft, als wir Guayaquil erreichten.

 

An der Busstation kam ein Mann auf uns zu und rief von weitem: "Hola amigos!" Da war für uns klar, dass er bei den Salesianern arbeitete, denn in den Projekten Don Boscos nennen sich alle "amigo" - die Mitarbeiter untereinander, die Erzieher die Kinder und die Kinder sich gegenseitig. Der Mann fuhr uns in einem kleinen Bus zum Haus der Salesianer, wo wir auf die anderen Freiwilligen trafen. Das Gebäude befand sich direkt am Strand unter Palmen und war hell und grossräumig. Inzwischen war es sieben Uhr morgens und Schlaf war nicht im Programm eingeplant. Wir konnten nur kurz unsere Taschen in die Schlafräume bringen, dann ging es los mit dem Gebet.

Später machten wir verschiedene Gruppenspiele zur Auflockerung, aber auch zur Vertiefung von Themen, die wir behandelten. Eine Dame brachte uns näher, was der Umgang mit Kindern nach der Ideologie Don Boscos bedeutet. Wir mussten auch Fragebögen ausfüllen und danach gemeinsam besprechen. Darin ging es beispielsweise um Fragen, ob wir schon einmal ein Kind geschlagen oder eingesperrt hätten, ob wir die Namen und die Vergangenheit all unserer Schützlinge kennen und ob wir während der Arbeit Zeit hätten, um ein Buch zu lesen.

 

Am Nachmittag gingen wir alle gemeinsam an den Strand, der sich gleich unterhalb des Hauses befand. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben am Pazifik und deshalb sehr gespannt.

Zuerst spielten wir Fussball und Volleyball. Wir hatten sehr viel Platz, denn wir waren die einzigen Menschen am Strand. Danach gingen einige von uns baden. Ich hatte mein Badekleid nicht dabei, wollte aber bis zu den Knöcheln ins Wasser und rollte meine Jeans hoch. Dabei blödelte ich mit Laurin rum und irgendwann packte er mich und tauchte mich mit samt den Kleidern unter Wasser. Wir hatten beide nicht daran gedacht, dass sich in meiner Hosentasche mein Schweizer Smartphone, mein ecuadorianisches Handy sowie mein Portmonnaie befanden. Ich hatte einen kurzen Schock, doch Laurin tat es furchtbar leid und er half mir, alles zu trocknen. Die Handys funktionieren zum Glück noch einwandfrei. :-)

Da ich ohnehin schon nass war, ging ich nun mit den Kleidern schwimmen. Zwei ecuadorianische Volunteers nahmen mich rechts und links bei der Hand und immer wenn eine Welle kam, riefen sie "salta!" (Spring!) Es war recht lustig, weil mich die Welle jedes Mal fortspülte, die Ecuadorianer jedoch sicher auf den Füssen landeten und mir danach halfen, wieder aufzustehen.

Am Abend spielten wir nochmals Gruppenspiele, jedoch solche mit Spassfaktor. Es waren Sport-, Sing- und Tanzspiele. Wenn ich nicht so furchtbar müde gewesen wäre, hätten sie wahrscheinlich noch mehr Spass gemacht. Danach konnten wir endlich schlafen gehen. Die Bettgestelle waren uralt und verrostet, die Duschen hatten keine Vorhänge und der Schlafraum von uns Frauen wurde nur durch eine dünne, niedrige Wand von demjenigen der Männer abgetrennt. Doch wir sagten uns immer wieder, dass wir nicht vergessen dürfen, dass wir hier in Ecuador sind und nicht in der Schweiz oder in Deutschland.

Am anderen Morgen fuhren wir mit dem kleinen Bus in ein Armenviertel. Unsere Aufgabe war es, die Kinder bei den Häusern abzuholen und sie zu einem Platz zu bringen, wo wir Spiele mit ihnen spielten. Danach führten wir Volunteers ein Theaterstück auf, das wir am Tag vorher einstudiert hatten. Darin ging es darum, dass Jesus Maria segnet und stärkt. Daraufhin wollen verschiedene "Sünden" in Gestalt von Alkoholikern, Gewalttätern und Drogensüchtigen Maria verführen. Doch dann kommt Jesus wieder und schlussendlich kämpfen Jesus und die "Sünden" gegeneinander um Maria. Die Botschaft an die Kinder war, dass sie nur der Freund von Jesus sein und sich nicht von schlechten Dingen verführen lassen sollen. Zum Schluss gingen wir in die kleine Kapelle des Viertels und feierten mit den Kindern einen Gottesdienst.

Zwei Frauen, die im Viertel wohnen, wollten uns alle zum Mittagessen einladen und kochten für uns. So assen wir bei ihnen Reis und Hühnchen und tranken Saft. Doch dieses Essen war nicht eingeplant und als wir wieder zurück ins Haus der Salesianer kamen, hatten die Mitarbeiter dort ebenfalls für uns gekocht. So assen wir ein zweites Mal zu Mittag.

 

Nach dem zweiten Essen war das offizielle Programm zu Ende. Laurin, Tobias und Xenia entschieden sich, noch zwei Tage länger in Guayaquil zu bleiben und fuhren an einen Strand weiter nördlich. Jakob, vier

ecuadorianische Volunteers und ich wollten den Nachtbus zurück nach Quito nehmen. Dieser fuhr jedoch erst um 22:50 Uhr und wir hatten noch jede Menge Zeit zur Verfügung. Ein Pater der Salesianer fuhr uns an den riesigen Hafen von Guayaquil, wo wir den Nachmittag verbrachten.

Am Hafen gab es auch einen Park, in dem riesige Echsen frei herumliefen. Sie waren überhaupt nicht schüchtern und man konnte sie sogar streicheln. Als es dunkel war, besichtigten wir noch einen Leuchtturm. Dort waren drei junge Frauen, die Schweizerdeutsch sprachen. Meine ecuadorianischen Kollegen überredeten mich schliesslich, mit den Frauen ein Gespräch zu beginnen. Ich erfuhr, dass die Schweizerinnen

aus St.Gallen kommen und zurzeit in Ecuador herumreisen.

Um sieben Uhr holte uns der Pater wieder ab und ging mit uns in ein Einkaufszentrum, um etwas zu essen. Danach hatten wir immer noch viel Zeit und wir fuhren in ein weiteres Projekt der Salesianer Don Boscos in Guayaquil. Auch dort wurden wir mit "hola amigos!" begrüsst und etwa zehn Kinder waren gerade beim Abendessen. Ich bin immer wieder von Neuem überrascht, wie offen die Kinder auf Volunteers zugehen, die sie nicht kennen. Als wir den Raum betraten, winkten mir die Kinder sofort zu und fragten mich, wie ich heisse. Ein kleiner Junge bat mich nach dem Essen sogar, ihm von dem Land zu erzählen, aus dem ich komme.

Schliesslich nahmen wir den Nachtbus zurück nach Quito und ich war so müde, dass ich sogar schlafen konnte. Wir kamen um halb sieben Uhr morgens an und der ecuadorianische Volunteer Marco, der im selben Projekt wie ich arbeitet, ging direkt ins "mi caleta". Ich bin froh, dass ich nun zwei Tage frei habe um mich auszuruhen und Schlaf nachzuholen.

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Unterwegs mit einer Sozialarbeiterin

Ich hab’ so viele Dinge, viel mehr als ich eigentlich ertrage. Ich hab’ so viel Klamotten und Schmuck und Gedöns, viel mehr als ich eigentlich trage. Ich hab’ ein Einrad und ein Skateboard, das ich eigentlich nicht fahre. [...] Und ich hab’ Freunde und Träume, meine Stimme und Sinne. Ich hab’ so viele Ideen, ich hab’ so viel zu geben, ich hab’ so viel zu erleben, so viel zu erleben. [...]  Ich hab’ meine Meinung, Gefühle und Werte und Zeit und ich hab’ Vertrauen. Vertrauen darin, dass Zeit Wunden heilt und Vertrauen in mich. Vertrauen darin, dass alles gut wird und in das Leben an sich und ich hab’ mein Leben, das endlich ist und nicht selbstverständlich ist. Vielleicht nur eine Seele, die ewig beständig ist, auch wenn der Gedanke daran für mich sehr befremdlich ist und ich hab’ noch was, das vergess’ oft, dann muss ich mich neu besinnen, ich hab’ nicht und nichts zu verlieren, sondern so viel zu gewinnen. Ich hab’ tausend Gründe zum Lachen und bloß einen zum Weinen und vor allem habe ich einen Grund glücklich zu sein.

(Julia Engelmann in "Bestandsaufnahme in drei Teilen")

Da die Mitarbeiter in meinem Projekt wissen, dass ich nach meiner Rückkehr aus Ecuador Soziale Arbeit studieren möchte, darf ich jeden Donnerstag mit einer Sozialarbeiterin mitgehen, wenn sie ausser Haus geht. Die letzten beiden Male waren nicht so interessant, wir mussten bei verschiedenen Büros Papiere für ein Kind abholen, das die Schule wechseln wird. Den Tag verbrachten wir vor allem mit Bus fahren, da die

Distanzen in Quito riesig sind. Dann mussten wir in den Büros auch noch stundenlang warten, weil die ecuadorianische Bürokratie nicht die Schnellste ist.

 

Jetzt ist der Papierkram zum Glück erledigt und heute gingen wir auf Hausbesuch bei der Mutter eines Kindes, das die Schule der Salesianer besucht. Dafür fuhren wir mit dem Bus in den Süden von Quito. Ich war auf alles gefasst, da die Kinder von "Chicos de la calle" alle aus sehr armen Verhältnissen stammen. Als wir den Bus verliessen, waren wir in "the middle of nowhere", in einer Gegend, in der es nur Hänge und Feldwege gab. Wir mussten ein Stück zu Fuss gehen und um uns herum weideten Kühe, Ziegen und Hühner. Auf den Wiesen hatte es alle paar Meter Barracken und Steinhäuser, in denen Menschen wohnten. Für mich sah es eher aus wie ein riesiger Schrebergarten mit Gartenhäuschen. Nach etwa einer halben Stunde Fussmarsch waren wir am Ziel. Doch das "Haus" der Familie war kein Haus, sondern eine Garage.

 

Als wir zur Tür des niedrigen Betongebäudes hineingingen, stand ein kleiner Junge in Schuluniform im Eingang und streckte mir einen winzigen Golden Retriever-Welpen entgegen.

Die "Wohnung" war ein einziger Raum aus Beton mit einer niedrigen Decke. Von der Decke und von den Wänden hingen Gummirohre. Am Eingang standen drei Polstersessel und ein Fernseher, der permanent lief. Dahinter ohne Abtrennung ein Esstisch, ein Herd und drei Betten. Nur eines der drei Betten hatte eine Matratze, auf den anderen zwei Bettgestellen lagen zerknüllte Kleider. 

 

Die Sozialarbeiterin musste verschiedene Papiere ausfüllen und stellte der Mutter Fragen. Dabei stellte sich heraus, dass weder die Mutter noch ihr Mann eine weiterführende Schulbildung hatten, beide hatten nur die Primarschule besucht.

Nachdem wir uns von der Mutter verabschiedet hatten, fuhren die Sozialarbeiterin und ich nochmals ein Stück mit dem Bus und trafen einen Erzieher, der im "Golaso" arbeitet. Das "Golaso" (zu Deutsch: Fussballtor) gehört ebenfalls zum Programm "Chicos de la calle" und ist eine Fussballschule für Strassenkinder in Quito. Dort wird in den Kindern mit Hilfe von Fussball Begeisterung und Initiative für ein besseres Leben geweckt. Neben Spass und Bewegung lernen die Kinder dank Fussball auch das Befolgen von Regeln sowie den respektvollen Umgang mit anderen Menschen. In erster Linie dient das Programm aber dazu, die Kinder wieder in die Schule und in ihre Familie zu integrieren. Deshalb verpflichtet sich jedes Kind der Golaso-Fussballschule, eine staatlich anerkannte Schule zu besuchen und einen formellen Schulabschluss zu erwerben.

 

Die Sozialarbeiterin und ich trafen also auf den Erzieher und ein Kind mit seinen Eltern. Ich kannte die Vorgeschichte nicht und ich verstand auch nicht alles, weil sie ein sehr schnelles Spanisch redeten. Doch ich glaube es ging darum, dass das Kind keine Motivation hat, die Schule zu besuchen und zu lernen. Der Erzieher erklärte der Mutter immer wieder, dass er dem Jungen zwar die Chance auf ein besseres Leben bieten könne, der Junge aber selber lernen müsse. Dies könne ihm niemand abnehmen.

 

Als ich Feierabend hatte und nach Hause ging, war ich in komischer Stimmung. Irgendwie fühlte ich mich schuldig, nun in die saubere, grossräumige Villa meiner Gastfamilie zurückzukehren, nachdem ich diese Armut gesehen hatte.

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Das gute Ecuador und die gute Schweiz

Wer nie weggegangen ist, versteht die Heimkehrenden nicht.

(Walter Ludin) 

Was ich in Ecuador liebe:

 

1. Das Wetter

In Ecuador sind die Tage wegen den Lage am Äquator immer gleich lang. Die Sonne geht um sechs Uhr morgens auf, deshalb ist es immer schon hell wenn ich aufstehe.  Zudem erlebt man hier alle vier Jahreszeiten an einem einzigen Tag und es wechselt sehr schnell. Besonders im September regnet es oft, doch nur am Nachmittag kurz und heftig. Vorher und nachher scheint die Sonne und es ist ziemlich warm.

 

2. Die niedrigen Preise

Für eine Schweizerin ist das Leben in Ecuador sehr günstig. Ein Mittagessen in einem Restaurant kostet 4-7 Dollar. (Umgerechnet 3.80 Fr. -  6.80 Fr.) Für meinen Privat-Spanischunterricht bezahle ich hier 5 Dollar (Umgerechnet 4.80 Fr.) pro Stunde (!). Eine Freundin von mir hat in der Schweiz Privat-Spanischunterricht genommen und dafür 60 Fr. pro 45min bezahlt. Dieser Unterschied ist wahnsinnig. Den Luxus vom Privat-Spanischunterricht könnte ich mir in der Schweiz nie leisten und schöpfe ihn deshalb in Ecuador voll und ganz aus.

 

3. Die vielen verschiedenen Fruchtsäfte

Geht man in Ecuador in ein Restaurant, hat man eine riesige Auswahl an "jugos", an Fruchtsäften. Es gibt klassische Säfte wie Orangen, Beeren oder Ananas. Auf der Getränkekarte stehen aber auch Namen, die ich noch nie zuvor gehört habe und mir ehrlich gesagt auch schlecht merken kann. Es sind Säfte von Früchten, die es in der Schweiz nicht gibt, die aber unglaublich süss und erfrischend sind.

 

4. Die unterschiedlichsten Landschaften auf kleinstem Raum

Ecuador ist das ideale Land um zu reisen. Es gibt Berge, die Küste und das Meer sowie den Amazonas - alles in einem einzigen Land, alles in wenigen Stunden erreichbar. Die Kultur ändert sich auch, wenn man von Quito aus an die Küste fährt. Je nach Region gibt es anderes Essen, die Menschen kleiden sich anders und leben anders.

 

Was ich in Ecuador vermisse:

 

1. Gefahrlos die Strasse überqueren können

In Ecuador haben die Fussgänger niemals Fortritt. Es gibt zwar Fussgängerstreifen, doch die werden von den Autos nicht beachtet. Wenn man eine Strasse überqueren will, bleibt einem nichts anderes übrig als die Augen zuzukneifen und loszurennen. Manchmal wartet man stundenlang am Strassenrand, weil so viele Autos kommen und es nirgends eine Lücke gibt, die man nutzen könnte. Wenn man Glück hat, stauen sich die Autos irgendwann und man kann zwischen den stehenden Fahrzeugen durchgehen.

 

2. Umweltschutz und Abfalltrennung

In der Schweiz geben wir uns solche Mühe, den Abfall zu trennen und ökologisch Auto zu fahren. Doch wie sollte dies längerfristig etwas bringen, wenn sich andere Länder überhaupt nicht daran halten? In Ecuador trennt niemand den Abfall - Pet, Kompost, Plastik, Batterien - alles kommt in den selben Abfallsack. Auch die Autos haben keinen Filter, man kann richtig zusehen wie schwarze Abgase in die Luft steigen. Die Busse fahren immer in einem tiefen Gang, was viel mehr Benzin braucht.

 

3. Zuverlässigkeit

Wir Schweizerinnen werden dazu erzogen, zuverlässig und pünktlich zu sein. Wenn man sich im Voraus verabredet, kann man sich in der Regel darauf verlassen, dass die entsprechende Person am abgemachten Tag zur abgemachten Zeit erscheint. In Ecuador ist dies nicht immer so. Häufig kommt kurzfristig doch noch etwas dazwischen und alle Pläne werden über den Haufen geworfen.

 

4. Gutes Brot

Aach, warum gibt es nirgends auf der Welt so gutes Brot wie in der Schweiz? In Ecuador gibt es wie in vielen Ländern dieser Welt nur Toastbrot. Dafür gibt es X-Variationen von Toastbrot - es gibt helles, dunkles, Toastbrot mit Beeren, Toastbrot mit Nüssen, Toastbrot ohne Rinde...Doch ganz ehrlich: Davon wird man doch nicht satt. Ich vermisse das knusprige Brot mit Rinde, das man zuerst in Stücke schneiden muss und nicht einfach vorgeschnitten aus einem Plastiksack nehmen kann.

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Meine erste Salsa-Tanzstunde

Lass mal 'ne Nacht drüber tanzen, Leichtmut und Freiheitsluft tanken und alle Gedanken parken an der Garderobe wie die Jacken von entfernten Bekannten. Und erst morgen, wenn wir dann wankend entspannt landen, wo wir eben noch standen, stellen wir uns tapfer den ganzen gigantischen grossen Gedanken - sind frei, die Gedanken sind frei und wir tanzen zu zweit.

(Julia Engelmann in "Lass man 'ne Nacht drüber tanzen")

Schon vor meiner Abreise war für mich klar, dass ich in Ecuador lernen möchte Salsa zu tanzen. An den Vorbereitungsseminaren von ICYE Schweiz hatte ich Jugendliche aus Südamerika kennengelernt und mit ihnen eine Nacht durchgefeiert. Praktisch alle von ihnen hatten Salsa getanzt und mir war der Mund offen stehen geblieben. Seit diesem Moment wusste ich, dass ich das auch können will! Und wo lerne ich es besser als in Lateinamerika selbst?

 

Zuerst wollte ich hier in Ecuador alleine in eine Tanzschule gehen. In der Nähe vom Haus meiner Gastfamilie  gibt es gleich zwei Salsa-Schulen. Doch irgendwie war mir dann doch ein bisschen mulmig, mich ohne Tanzpartner und ohne Erfahrung anzumelden.

 

Dann erfuhr ich, dass Xenia aus der Schweiz, Jakob aus Deutschland und Laurin aus Österreich, die auch in Projekten der Salesianer Don Boscos arbeiten und immer mit mir zu Mittag essen, ebenfalls Salsa tanzen möchten. In der Nähe von unseren Projekten gibt es einen Tanzlehrer, der private Gruppen unterrichtet. Dabei muss man ihn einfach anrufen und mit ihm einen Termin für die Salsa-Stunden abmachen. Xenia, Jakob, Laurin und ich entschieden uns, jeden Donnerstag nach der Arbeit zu viert Salsa-Stunden bei diesem Lehrer zu nehmen.

 

Als wir heute zum ersten mal in die Salsa-Stunde gehen wollten und dies herumerzählten, waren auf einmal noch viel mehr Leute von unserer Idee begeistert: Franklin (der Sportlehrer der Schule der Strassenkinder, der gleich alt ist wie wir Freiwilligen), Jairo (mein Chef, der ebenfalls erst 25 Jahre alt ist), zwei junge Studentinnen aus den USA, die manchmal in meinem Projekt aushelfen, sowie ein Freund von Laurin und eine Kollegin von Jakob wollten auch mitkommen. So waren wir schlussendlich 10 Personen und mit der Anzahl an Männer und Frauen ging es ebenfalls auf.

 

Zuerst übten wir alle in einer Reihe die Grundschritte vor dem Spiegel. Dies war nicht weiter schwierig. Anspruchsvoller wurde es, als wir das selbe zu zweit als Tanzpaar machen mussten. Ich tanzte mit Franklin und ich fragte mich wirklich, wieso er Tanzstunden nehmen wollte. Wahrscheinlich lag es daran, dass er Latino ist und das Tanzen im Blut hat, dass er sich mit einer solchen Lockerheit bewegte, dass es von Anfang an professionell aussah. Ich selbst musste mich so sehr auf die Tanzschritte konzentrieren, dass ich mich richtig verkrampfte. Ich werde wohl noch einige Tanzstunden brauchen, bis ich mich ebenfalls entspannt bewegen kann.

 

Ich merkte aber sofort, dass Salsa-Tanzen ideal ist um abzuschalten. In diesem Moment haben keine anderen Gedanken platz, man muss sich aufs hier und jetzt, auf die Musik und die Bewegungen einlassen. Ich freue mich darauf, weiter zu üben und bald besser zu werden. Besonders toll finde ich es, dass ich Gleichgesinnte gefunden habe, mit denen das Tanzen gleich noch mehr Spass macht!

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Viel Arbeit und wenig Freizeit

Cuàndo eres joven, debes trabajar para aprender, no para ganar.

(Robert Kiyolski)

 

(Wenn du jung bist, musst du arbeiten um zu lernen, nicht um Geld zu verdienen.)

Obwohl ich meine Arbeit hier sehr mag, ist der Alltag anstrengend. 

Ich habe fast eine Stunde Arbeitsweg und da man nie so genau weiss, wann der Bus kommt, stehe ich um halb 8 an die Haltestelle. Um 9 Uhr beginnt meine Arbeit und endet um 17 Uhr.

Mir bleibt wenig Freizeit. Montags und Mittwochs gehe ich nach der Arbeit in den Spanischunterricht bei einer älteren Frau. Sie ist sehr geduldig, herzlich und weiss genau, wo ich noch Defizite habe. Dann komme ich erst um 21:00 Uhr nach Hause, esse etwas und gehe schlafen, um fit für den nächsten Tag zu sein. Ich habe einen so vollen Terminkalender, dass ich fast keine Zeit habe, um Spanisch-Vokabular zu lernen oder die Grammatik aus dem Unterricht zu repetieren. Irgendwie muss ich da für mich noch eine Lösung finden.

 

Im Projekt habe ich jetzt zum Glück mehr Arbeit. Vor dem Mittag und am Nachmittag kommen etwa 20 Kinder, um ihre Hausaufgaben zu machen. Meine Aufgabe ist es dann, ihnen dabei zu helfen. Meist sind es Mathematikaufgaben. Ich versuche sie ihnen zu erklären, was jedoch auf Spanisch ziemlich schwierig ist.

Dazu kommt, dass die Mädchen sehr fasziniert sind von meinem Nasenpiercing und es immer berühren wollen, wenn ich mit ihnen rechnen will. :-)

Wenn alle Aufgaben gemacht sind, bleibt meist noch Zeit um zu spielen.

 

Da ich die einzige Mitarbeiterin im Projekt bin, die Englisch kann, kommen die Kinder auch mit Englisch-Hausaufgaben zu mir. Vor Kurzem kam sogar die Schwester eines Mitarbeiters und bat mich, für sie einen Text aus dem Spanischen ins Englisch zu übersetzen. Es war kein allzu schwieriger Text, sondern ein kurzer Lebenslauf. Ich war stolz, dass ich dies für sie tun konnte.

 

Vor einigen Tagen bekam ich richtig Bauchschmerzen vom Essen. Ich bin mir nicht sicher, ob das Essen im Projekt wirklich sauber ist. Wir essen jeden Tag in der Schule der Strassenkinder, wo jeder sein Geschirr selbst von Hand abwaschen muss. Dabei gibt es nur wenig Seife, die nicht für alle reicht. Die meisten Kinder halten das Geschirr nur kurz unter den Wasserhahn und versorgen es danach. Wenn wir am nächsten Tag wieder kommen, schöpfen wir das Essen in das immer noch nasse Geschirr. Jedenfalls bekam ich richtig Bauchkrämpfe und ein Mitarbeiter musste mich zum Arzt bringen. Als ich zurückkam, waren die Kinder überzeugt, dass ich jetzt ein Baby bekommen würde und hielten ihr Ohr immer wieder an meinen Bauch. In Ecuador ist es vor allem in den ärmeren Schichten üblich, jung Kinder zu bekommen. Deshalb war es sinnlos den Kindern zu erklären, dass ich mit 22 Jahren bestimmt noch nicht Mutter werden will. :-)

 

Noch immer habe ich Angst, während meiner Zeit in Ecuador etwas zu verpassen. Es gibt hier so viel zu erleben und zu entdecken. Ich möchte in den Amazonas, auf die Galapagos-Inseln (wenn ich genug Geld habe), an den Strand, ich möchte Salsa tanzen, besser Spanisch lernen, Zeit mit meiner wundervollen Gastfamilie verbringen...

Reichen dafür die sieben Monate, die mir noch bleiben? Ich hoffe es!

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Ein Wochenende in Baños

Es gibt kein sichereres Mittel festzustellen, ob man einen Menschen mag oder nicht, als mit ihm auf Reisen zu gehen.

(Mark Twain)

Zuerst einmal möchte ich mich bei euch Blogleserinnen und Bloglesern bedanken! Es ist schön, immer wieder zu hören, wer alles meinen Blog liest. Ich hätte nie gedacht, dass sich so viele Menschen für meine Erlebnisse und Erfahrungen in Ecuador interessieren.

Natürlich freue ich mich auch immer über Kommentare zu meinen Blogs oder über Gästebucheinträge. :-)

 

Rabea ist in den letzten Monaten eine meiner besten Freundinnen geworden. Sie kommt aus Basel und hat mit mir die gesamte Vorbereitung von ICYE durchgemacht - von der Länderwahl über die Vorbereitungsseminare und die Beantragung des Visums bis hin zum Packen des Reisekoffers und des 16stündigen Flugs von Zürich nach Quito. Jetzt arbeitet sie ebenfalls in einem Projekt mit Strassenkindern, jedoch in Ambato, einer Stadt etwa 3 Autostunden von Quito entfernt. Im selben Projekt arbeitet auch Timo, ein Freiwilliger aus Deutschland.

Rabea, Timo und ich planten dieses Wochenende zusammen nach Baños zu fahren. Dies ist ein Städtchen zwischen den Anden und dem Amazonasbecken in einem zauberhaften, kleinen Tal mit Wasserfall und mehreren kleinen Quellen.  

 

Um sechs Uhr morgens stieg ich in den Bus. Ich habe noch immer sehr Mühe, mich geografisch in Ecuador zurechtzufinden, zu wissen, welchen Bus ich nehmen und wo ich aussteigen muss. Die Haltestellen werden weder angekündigt noch sind sie angeschrieben. Ich wusste, dass ich bei einer Haltestelle namens "Tambillo" umsteigen musste. Doch wie sollte ich wissen, welche Haltestelle das ist? Zum Glück sind die Menschen in Ecuador allgemein sehr hilfsbereit und der Busfahrer informierte mich, als wir in "Tambillo" eintrafen.

 

Nach drei Stunden Fahrt erreichte ich Ambato. Dort traf ich auf Rabea und Timo und gemeinsam fuhren wir eine weitere Stunde bis Baños. Das Städtchen ist traumhaft! Es liegt mitten in den Bergen zwischen unglaublich hohen Hügeln, die mit Wald bedeckt sind.

Zuerst suchten wir ein Hostel und fanden eines für acht Dollar pro Person. Das Zimmer war klein und Rabea und ich teilten uns ein Bett, doch wir waren mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis sehr zufrieden.  Für Aktivitäten wie Dschungeltouren, Klettern, Reiten oder Rafting, für die Baños bekannt ist, waren wir zu spät dran. Zudem regnete es ununterbrochen. Doch mich störte dies alles nicht. Ich war vor allem hier, um aus Quito herauskommen, mich mit Rabea und Timo auszutauschen und wieder einmal Deutsch sprechen zu können. Deshalb nahmen wir es gemütlich, wir setzten uns in ein Restaurant, besichtigten die Basilika und tranken Kaffee. Timo sagte irgendwann: "Ich liebe mein Leben und meine Arbeit hier. Zum ersten Mal seit langem habe ich das Gefühl, etwas wirklich Sinnvolles zu tun."

Damit sprach er uns allen aus der Seele, in gewisser Weise. 

 

Als der Regen ein wenig nachliess, spazierten wir zu einem grossen Wasserfall mitten in der Stadt.

Am Abend wollten wir uns das Nachtleben von Baños ansehen. Ähnlich wie in Quito reihen sich hier Bars und Discos aneinander. Alles ist sehr europäisch angehaucht und wir hätten geradesogut in Spanien sein können. Ich war ein bisschen enttäuscht, dass die Menschen in den Discos nicht wirklich tanzten. Sie standen einfach im Kreis und wippten zur Musik ein bisschen hin und her. Doch wahrscheinlich lag das daran, dass die meisten davon Touristen waren.

Wir gingen noch vor Mitternacht schlafen, um fit für den nächsten Tag zu sein.

 

Am Sonntagmorgen standen wir früh auf, um zur berühmten "casa del arbol" zu gehen. Dies ist ein Baumhaus oben auf einem der Hügel, neben dem es eine Schaukel gibt. Mit dieser Schaukel kann man hoch über dem Abgrund einer tiefen Schlucht hin und her schwingen.

Ein Taxifahrer, der nicht älter war als wir selbst, fuhr uns den Hügel hoch. Oben angekommen wollte er mit Rabea und mir Selfies machen. Timo war für ihn nicht so interessant... ;-)

Schliesslich setzten wir uns auf die Schaukel und schwangen los, ohne jede Sicherung. Es war einfach wunderbar, ein Gefühl von Freiheit, hoch über tropischem Wald, reissenden Flüssen und inmitten von Vulkanen.

Als wir von der Schaukel zurückkehrten, gingen wir noch auf den Früchte- und Gemüsemarkt. In Ecuador sind die Früchte sehr viel süsser als in der Schweiz und es gibt Sorten, die ich noch nie zuvor gesehen habe.

Danach nahmen wir den Bus nach Ambato, denn ich hatte eine lange Fahrt bis Quito vor mir. Es war ein sehr schönes Wochenende mit zwei guten Freunden an einem wundervollen Ort.

Ich freue mich bereits auf die nächste Reise!

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Herausforderungen bei der Arbeit

Die Welt braucht nicht noch mehr erfolgreiche Leute.

Die Welt braucht verzweifelt mehr Friedensstifter, Heiler, Wiederhersteller und Geschichtenerzähler.

(Dalai Lama)

In Ecuador kommt der Winter. Es ist deutlich kälter geworden und es regnet oft. Ich kann es nicht glauben, dass ich bereits seit einem Monat hier bin! An die Erdbeben, die hier sehr häufig sind, habe ich mich noch immer nicht gewöhnt. Vor zwei Tagen sass ich mit meinem Gastbruder Carlos auf dem Sofa, als plötzlich das ganze Haus zu schütteln begann. Zuerst realisierten wir nicht, was los war, dann schrien plötzlich alle "Temblor!" und rannten auf die Strasse. Als wir draussen waren, war es aber bereits wieder vorbei.

(Im Ecuador unterscheidet man lustigerweise zwischen einem kleinen und einem grossen Erdbeben. Ein Erdbeben, das unter der Stufe 7 ist, nennt man "Temblor" und ein starkes Erdbeben ab der Stufe 8 "Terremoto") Nach dem Beben waren diverse Gebiete rund um Quito für einige Stunden ohne Strom.

 

In meinem Projekt haben die Mitarbeiter nun einen Stundenplan für mich gemacht, der regelt, an welchem Wochentag, um welche Zeit ich was erledigen soll. Dies hat mich ziemlich erstaunt, da die Arbeit hier sehr chaotisch ist.  Im Stundenplan steht geschrieben, dass ich jeden Donnerstag mit den Sozialarbeitern auf Hausbesuche zu den Familien der Kinder gehen darf. Ich hoffe sehr, dass dieses Versprechen eingehalten wird. Dann würde ich sehen, wie die Kinder wohnen und hoffentlich auch bald ihre Verhaltensweisen in gewissen Situationen nachvollziehen können.

 

Meine wichtigste Aufgabe ist es, C. zu betreuen. Er ist ein Junge von 10 Jahren, der zurzeit die Schule nicht besuchen kann, weil es für ihn zu schwierig ist, dem Unterricht zu folgen. Er ist sehr anhänglich, will mich ständig umarmen, auf die Wange küssen und sagt mir, ich sei seine Lieblingsfreundin. Doch in diesem Haus haben die Kinder auch viele Pflichten. Ich habe eine Liste, die ich mit C. abarbeiten muss. Beim Zähneputzen beginnt das Theater. Er schmeisst die Zahnbürste auf den Boden, weigert sich, sie wieder aufzunehmen und rennt mir davon. Ich renne hinterher und versuche ihn dazu zu bringen, die Zähne doch noch zu putzen.

 

Weiter geht's mit dem Waschen der Kleider. Viele der Kinder werden sich nie eine Waschmaschine leisten können und so müssen sie lernen, mit Kübel, Seife und Bürste auszukommen.

 

Also wasche ich mit C. seine Kleider. Oder ich versuche es zumindest. Doch er wirft die Seife in die Ecke, die Bürste hinterher und hängt die Kleider ungewaschen an die Leine. Wenn ich ihn an der Hand nehmen will, um ihm zu zeigen, wie man es richtig macht, reisst er sich los und rennt die Treppe hoch aufs Dach. Ich versuche ihn runterzuholen, aber habe keine Chance. Wenn ich lauter und bestimmter mit ihm rede, nimmt er mich nicht ernst und verbessert seelenruhig mein Spanisch.

Wir brauchen drei Stunden bis alle Kleider sauber gewaschen an der Leine hängen, doch ich bin sicher, dass wir es unter normalen Umständen in zwanzig Minuten geschafft hätten.

 

Nach dem Mittagessen muss C. einen Text aus einem Buch abschreiben. Doch natürlich hat er auch dazu keine Lust. Er kann stundenlang vor dem leeren Blatt sitzen und vor sich hinstarren.

 

Ich habe das Gefühl, dass sich die Kinder nicht bewusst sind, welche Chance sie hier erhalten. Bildung ist der Schlüssel zu einem besseren Leben und die Kinder, die von der Strasse kommen, weigern sich, ihre Hausaufgaben zu machen!

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Weil jedes Kind seine eigene Geschichte hat...

Ein Kind, das mit Respekt behandelt wird, wird respektvoll. Ein Kind, das mit Liebe behandelt wird, wird liebevoll. Ein Kind, das mit Fairness behandelt wird, wird gerecht. Ein Kind, das mit Höflichkeit behandelt wird, wird ein guter Freund. Ein Kind, das angehört wird, wird ein guter Zuhörer. Ein Kind, das die Wahl erhält, wird verantwortungsbewusst.

(Unbekannt)

Nach dem dritten Tag in meinem Projekt kann ich sagen, dass ich mich bei der Arbeit langsam zu Hause fühle. Ich musste mich zuerst an die ecuadorianische Arbeitsmoral gewöhnen. Von meiner Lehre in der Schweiz bin ich es gewohnt, dass die Arbeit eine Struktur hat und ich mit klaren Aufträgen eingearbeitet werde. Hier in Ecuador ist vieles anders. Alles ist ein bisschen chaotischer, ein bisschen lockerer und ich bin mehr auf mich alleine gestellt.

 

Wenn ich morgens komme, sind die Kinder meist draussen und warten auf mich. Wir spielen dann eine Runde Fussball auf dem kleinen Vorplatz. Oftmals spielt auch Jairo mit, einer der Leiter des Projektes. Danach müssen die Kinder ihre Pflichten erfüllen, sei es Rechnen, Putzen oder Aufräumen. Seit gestern ist noch ein dritter Junge dabei und ich half den dreien, ihre Kleider zu waschen. Wir hatten nur einen Kübel kaltes Wasser, eine Handseife und eine Bürste zur Verfügung. Ich war mir nicht so sicher, ob die Kleider auf diese Weise wirklich sauber wurden, aber es haben eben nicht alle Menschen in diesem Land eine Waschmaschine.

 

Danach spielten wir wieder Fussball, bis schliesslich ein Ehepaar im Projekt aufkreuzte. Der Mann erklärte mir, er und seine Frau kämen aus Deutschland und unterstützten Projekte der Salesianer Don Boscos weltweit. Ihr Ziel sei es, alle Projekte einmal im Jahr zu besuchen, sei es in Europa, Lateinamerika oder Afrika. Er sei vor ein paar Jahren während einer Reise durch Südamerika mit der Armut in Berührung gekommen und sei zum Entschluss gekommen, dass man etwas dagegen tun müsse. Und man könne etwas dagegen tun! Dies sei die Einstellung, mit der bestimmt auch ich Ende April nach Hause fliegen werde. Dies hat mich sehr beeindruckt.

 

Da ich in den letzten beiden Tagen oftmals nicht wusste, was ich mit den Kindern ausser Fussball sonst noch spielen kann, nahm ich mir vor, jeden Tag einige Spielideen aus meiner eigenen Kindheit oder aus dem Internet mit ihnen auszuprobieren. Heute nahm ich Ballone mit und wollte mit ihnen ein Spiel spielen, dass ich zu Hause oft mit meinen Geschwistern gespielt habe. Dabei spielt man zu zweit gegeneinander und muss einen aufgeblasenen Ballon über eine Linie bugsieren, ohne dass er auf der eigenen Seite den Boden berührt. Die Knaben waren sehr euphorisch, sie hatten jedoch mehr Freude daran, die Ballone zu zerplatzen. Schliesslich kamen sie auf die Idee, die Ballone mit Wasser zu füllen.

 

Nach einer Weile tauchte noch ein Junge auf. Ich schenkte ihm ebenfalls einen Ballon und er fragte mich, ob er noch drei weitere haben dürfe, er wolle sie seinen Geschwistern bringen. Ich gab ihm die Ballone, weil mir seine Fürsorge gefiel. Einer meiner drei Jungs hatte dies beobachtet und zog plötzlich ein Buttermesser aus der Hosentasche. Er sagte, ich solle ihm auf der Stelle auch drei Ballone geben, sonst würde er mich töten. Ich erschrak. Der Junge hätte mich lieb fragen können und ich hätte ihm die Ballone gegeben. Doch warum musste er mich bedrohen? Ich musste mir in Erinnerung rufen, dass jedes dieser Kinder seine Geschichte hat, manche auf der Strasse gelebt haben oder von den Eltern geschlagen werden. Noch kenne ich ihre Geschichte nicht und ich weiss nicht, weshalb sie in manchen Situationen so reagieren, wie sie eben reagieren.

 

Abgesehen davon, dass meine drei Jungs manchmal unberechenbar sind, machen sie es mir sehr einfach. Sie umarmen mich ständig, nehmen mich an der Hand und suchen nach mir, wenn ich mal kurz in einen anderen Raum gehe. Einer der Kleinen ist mir heute um den Hals gehangen und hat gesagt: "Te quiero muuchoo!" (Ich mag dich seeehr!")

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Erster Arbeitstag im Projekt

Diese Kinder sind Edelsteine, die auf der Strasse liegen. Sie müssen nur aufgehoben werden, und schon leuchten sie.

(Giovanni Don Bosco)

Bereits gestern hatten alle Freiwilligen, die in Projekten der Salesianer Don Boscos arbeiten, ein Treffen in der "UESPA", der Schule für Strassenkinder. Dort erhielten wir noch die letzten Informationen und sahen uns Filme über die Arbeit der Salesianer an. Danach zeigte mir Renato, unser Betreuer von ICYE Ecuador, wie ich zum "mi caleta", meinem Projekt, komme.

 

Heute morgen um 9 Uhr begann mein erster Arbeitstag hier in Ecuador. Als ich zum Tor des "mi caleta" hineinging, kam ein kleiner Junge von etwa 8 Jahren auf mich zugerannt und schmiegte sich an mich. Er ist einer von zwei Knaben, die zurzeit im "mi caleta" wohnen. Da diese Woche in Ecuador noch Schulferien sind, sind nur diese zwei Kinder da. Ab nächster Woche werden dann mehr kommen.

 

Ich lernte auch Jakob kennen, ein Freiwilliger aus Deutschland, der bereits seit einem halben Jahr in Ecuador ist. Er arbeitet manchmal in der "UESPA" und manchmal im "mi caleta". Ich bin sehr froh, dass er da ist, mir alles zeigen kann und mir übersetzt, wenn ich etwas wichtiges nicht verstehe. Zuerst spielten wir mit den beiden Kindern Fussball. Nach etwa einer Stunde gingen wir ins Haus. Eine der Leiterinnen hatte für die Knaben an einer Art Wandtafel verschiedene Additionen, Subtraktionen und Multiplikationen notiert. Die Kinder sollten diese Aufgaben lösen. Der eine Junge setzte sich in eine Ecke und schmollte. Ich ging zu ihm und versuchte ihn mit meinem kärglichen Spanisch zu motivieren. Irgendwie schaffte ich es, dass er den Stift in die Hand nahm und zu rechnen begann. Ich merkte, dass es ihn anspornte, wenn ich ihn für bereits gelöste Aufgaben lobte.

Jakob unterstützte währenddessen den anderen Jungen. Dieser hatte während dem Rechnen immer wieder kleinere Wutausbrüche und schmiss diverse Gegenstände quer durch den Raum.

 

Zum Mittagessen fuhren wir in einem Minibus der Salesianer zur "UESPA". Dort treffe ich nun jeden Mittag meine Schweizer Kollegin Xenia, da sie dort arbeitet. Das Mittagessen wurde nach einem Gebet in einem grossen Saal eingenommen und dann fuhren wir wieder zurück ins "mi caleta".

 

Am Nachmittag wurde es leider ein bisschen langweiliger. Jakob musste Papiere ins Reine schreiben und ich hatte nichts zu tun. Ich hoffe sehr, dass es besser wird, wenn ab nächster Woche mehr Kinder kommen.

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Besteigung des Rucu Pichincha

Im nächsten Leben würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen. 
Ich wäre ein bisschen verrückter, als ich es gestern gewesen bin. 
Ich würde weniger Dinge so ernst nehmen. 
Ich würde mehr riskieren, mir mehr Zeit nehmen Sonnenuntergänge zu betrachten, auf mehr Berge steigen, in mehr Flüssen schwimmen. 
Ich würde langsamer leben, weniger tun und mehr sein.

(Jorge Luis Borges)

Der Pichincha ist der Hausberg von Quito und ein aktiver Vulkan. Er hat zwei Gipfel, den Rucu Pichincha und den Guagua Pichincha. Der Rucu Pichincha liegt 4690 Meter über Meer und befindet wesentlich näher an der Stadt als sein etwas höherer Bruder Guagua Pichincha (4794 m. ü. M.)

Wir hatten die Möglichkeit, mit ICYE Ecuador den Rucu Pichincha zu besteigen. Wir fuhren mit der Luftseilbahn "Teleférico" auf einen Hügel auf der Ostseite des Vulkans, der auf 3950 m. ü. M liegt. Von dort aus marschierten wir auf den Krater. Zu Beginn gab es einen Wanderweg, der gut gekennzeichnet war. Der Weg war aber wahnsinnig steil, ich kann mich nicht erinnern, jemals auf einen so steilen Berg gewandert zu sein. Ich ging mit der vordersten Gruppe mit und marschierte mit der Schweizerin Xenia, dem Inder Mahim, der Deutschen Friederike und mit Renato, unserem Betreuer von ICYE Ecuador. Von Zeit zu Zeit mussten wir immer wieder anhalten und kurz verschnaufen. Mit der Zeit wurde der Abstand zwischen diesen Pausen immer geringer. Es beruhigte mich jedoch, dass auch die anderen ausser Atem gerieten.

Irgendwann nach gefühlten drei Stunden war es vorbei mit dem Wanderweg und vor uns erstreckte sich ein gewaltiger Hang aus Sand. Wir kletterten diesen Hang hoch, rutschten aber immer wieder aus. Als wir mit Sand in den Schuhen oben ankamen, erreichten wir den Felsen. Nun galt es, den Felsen wie ein Bergsteiger hochzuklettern und sich dabei möglichst nicht zu verletzen. Wir hatten alle zu kämpfen, da wir schon so lange bergauf gegangen waren. Bis zum Schluss glaubte ich nicht daran, dass wir es schaffen würden.

 

Doch wir hielten durch und als wir mit unseren Kräften fast am Ende waren, waren wir oben. Wir konnten eine gewaltige Aussicht auf die ecuadorianische Bergwelt geniessen und Beweisfotos machen. Nach etwa 15 Minuten begannen wir mit dem Abstieg und begegneten den anderen Freiwilligen, die sich noch immer auf dem Aufstieg befanden.

Das Runtergehen war einiges angenehmer, doch es beanspruchte noch einmal zwei Stunden. Als wir schliesslich unten waren, waren wir alle todmüde, aber sehr stolz, dass wir durchgehalten hatten.

 

Mein Gastbruder Alejo hatte mir angeboten, mich nach der Wanderung bei der Talstation der Gondelbahn abzuholen. Ich hatte ihm versichert, ihn anzurufen, sobald wir vom Berg zurückkehrten. Als wir unten waren, stellte ich jedoch mit Schrecken fest, dass mein Handy kein Akku mehr hatte. Ich machte mir grosse Sorgen, weil ich Alejo nicht benachrichtigen konnte. Bernardo, der ebenfalls dabei war, riet mir, mit dem Bus nach Hause zu fahren. Er kam mit mir ein Stück, doch irgendwann trennten sich unsere Wege. Mir war gar nicht wohl, da es am Äquator jeden Abend um sechs Uhr stockdunkel wird und es bereits sieben Uhr war. In der Schweiz wurde mir oft genug eingeschärft, in Südamerika niemals nachts alleine unterwegs zu sein. Ich wusste auch nicht, wie meine Gastfamilie reagiert, wenn sie mich nicht erreichen kann und ich irgendwann mit gewaltiger Verspätung zu Hause ankomme.

 

Ich war froh, Bernardo von meinen Sorgen erzählen zu können. Er meinte, ich solle mich in die Nähe des Busfahrers stellen und einen selbstbewussten Gesichtsausdruck aufsetzen. Ich sei schliesslich eine starke, unabhängige Frau. Doch bin ich das wirklich? In der Nacht, alleine in einer Stadt wie Quito, mit einem Handy ohne Akku?

 

Ich hatte Angst, versuchte mir aber nichts anmerken zu lassen. Den ersten Bus konnte ich ohne Probleme nehmen, doch der zweite kam und kam nicht. Ich wurde plötzlich unsicher, ob dieser Bus um diese Zeit überhaupt noch fährt. Schliesslich entschied ich mich, ein Taxi zu nehmen. Dies kostete mich 20 Dollar, was in der Schweiz zwar wenig, in Ecuador jedoch viel ist.

 

Als ich zu Hause ankam, hatte ich kein gutes Gefühl und war auf jede Reaktion meiner Gastfamilie gefasst. Ich entschuldigte mich bei meiner Gastmutter und bei Alejo, doch beide reagierten alles andere als verärgert. Sie waren einfach nur froh, dass es mir gut ging und sie sagten, ich solle mir keine Sorgen machen. Ich war sehr froh über ihre Reaktion und vor allem darüber, heil zu Hause angekommen zu sein.

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Augen zu und festhalten!

Man braucht in Südamerika keine grosse Erfindungsgabe. Man steht eher vor dem Problem, das, was man in der Wirklichkeit vorfindet, glaubhaft zu machen.

(Gabriel Garcia Màrquez, kolumbianischer Schriftsteller)

Das Busfahren in Quito ist ein Abenteuer. Es gibt keine Fahrpläne, man steht einfach mal an die Busstation und wartet bis ein Bus kommt. Manchmal wartet man lange, manchmal nicht.

 

Meine Gastfamilie wohnt in "Valle de los chillos", einem Vorort von Quito. Ich benötige etwa 40 Minuten mit dem Bus bis ins Zentrum der Stadt, wo ich ab dem Montag arbeiten werde. Vom Haus meiner Gasteltern marschiere ich etwa 10 Minuten bis zur Busstation. Wenn dann ein Bus kommt, fliegen alle Türen auf, während er anhält. Auch während dem Fahren sind die Türen meist offen, da sie nicht sehr stabil sind. Neben dem Fahrer gibt es eine Lady, die bei jeder Station aus der Tür lehnt und den wartenden Menschen die Endstation des Buses zuruft. Bei meinem Bus ruft sie immer: "La catholica, la catholica".

Dieselbe Frau drängelt sich während der Fahrt durch alle Gäste durch und hält ihre Hand hin. Ich muss ihr dann jeweils 50 Cent zahlen, den Preis für die Strecke. Die Buse sind immer so rappelvoll, dass die meisten Menschen dicht aneinandergedrängt stehen müssen. Es ist auch schon vorgekommen, dass ich mich an die Stange neben der Bustür klammern musste und bei jedem Rank fast aus dem Bus flog, weil die Türen sich nicht schliessen liessen.

 

Wenn neue Fahrgäste zusteigen und die Menschen nicht aufschliessen wollen, ruft die Frau: "Siga, siga, siga!" Erst später erfuhr ich, dass dies die Befehlsform von "seguir" ist, was so viel wie "folgen" oder "weitermachen" bedeutet. In einem ecuadorianischen Bus ist es niemals still, es läuft immer spanische Musik. Dies gefällt mir sehr und es ist sicher etwas, das ich zurück in der Schweiz vermissen werde.

 

Im Gedränge ist die Gefahr sehr gross, dass einem der Rucksack geöffnet oder aufgeschnitten wird und man danach um einige Wertsachen ärmer ist. Deshalb nehme ich jeweils nur ein Portemonnaie mit wenig Bargeld sowie mein billiges ecuadorianisches Nokia mit und lasse alle meine Bankkarten und mein Smartphone im Haus meiner Gastfamilie. Den Rucksack ziehe ich während der Fahrt verkehrt herum an und umklammere ihn mit einer Hand.

 

Oft steigen während der Busfahrt auch Händler ein, die Orangen, Zahnbürsten, Eiscreme, Süssigkeiten oder sonstige Dinge verkaufen wollen. Manchmal sind auch Kinder darunter, dies bricht mir jeweils fast das Herz. Ich weiss, dass dies einige jener Kinder sind, die ich ab nächster Woche in meinem Projekt betreuen werde und bin froh, dass ich ihnen dann ein Stück weit helfen kann.

 

Bis jetzt habe ich nur die schöne, luxuriöse Seite Quitos kennengelernt. Es fühlt sich immer noch so an, als sei ich hier bloss in den Ferien. Ich bin sehr froh, dass ich am Montag ein Treffen mit den Verantwortlichen meines Projektes habe. Danach beginnt endlich der Alltag hier in Ecuador. Dann lebe ich hier, arbeite hier und spreche hoffentlich bald die Sprache der Einheimischen. Darauf freue ich mich!

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Eine moderne Gastfamilie und der falsche Äquator

Die beiden schönsten Dinge sind die Heimat, aus der wir stammen, und die Heimat, nach der wir wandern.

(Johann Heinrich Jung-Stilling)

Nun bin ich seit fast zwei Wochen in Ecuador und ich bin froh, dass ich sagen kann, dass ich mich hier sehr wohl fühle! Meine Gasteltern sind sehr unkompliziert und modern. Ich hatte ein bisschen Angst gehabt, dass ich in eine konservative Familie kommen würde, in der die Männer nichts im Haushalt machen müssen. (Ja, diese Einstellung ist in Ecuador noch immer verbreitet)

In meiner Gastfamilie ist es zum Glück ganz anders: Meine Gastmutter arbeitet auf ihrem Beruf, weshalb meine Gastbrüder und ich unsere Kleider selber waschen und unser Essen unter der Woche selber zubereiten.

 

Die Unterschiede des Wohlstands in Ecuador sind riesig. Ich lebe bei einer wohlhabenden Familie in der Hauptstadt.

Gestern sprach ich mit einem Freiwilligen aus Deutschland, der übernächste Woche, wenn der Spanisch-Kurs von ICYE zu Ende ist, nach Otovalo gehen wird. Dort wird er bei einer indigenen (Ureinwohner) Familie leben, wo er weder fliessend Wasser noch Strom im Haus hat. Am Wochenende kann er dann jeweils in eine WG, um seine Kleider zu waschen und zu duschen. Ich sagte ihm, so etwas würde mir auch guttun, worauf der erwiderte, ich könne gerne mit ihm tauschen.

Am Freitag stand ein Ausflug mit ICYE Ecuador zu "la mitad del mundo", einem Äquatordenkmal nördlich von Quito, auf dem Programm. An diesem Ort steht das "el reloj solar quitsado", eine gewaltige Sonnenuhr mit einem zehn Meter hohen Zylinder, der die Stelle markiert, wo der Äquator verlaufen soll. Dort ist es angeblich möglich, mit einem Fuss auf der südlichen und mit einem Fuss auf der nördlichen Erdhalbkugel zu stehen. Was jedoch nur wenige wissen: Die Erbauer des Monuments haben sich um einige Meter verrechnet. Die richtige Äquatorlinie verläuft etwa 240 Meter entfernt, auf der anderen Strassenseite auf einer heiligen indigenen Stätte, die vor mehr als 1000 Jahren gebaut wurde.

Mit meinem ecuadorianischen Kollegen Bernardo auf der angeblichen Äquatorlinie vor der Sonnenuhr

Wir besuchten also zuerst den offiziellen Park, in dem das Monument steht. Dort gab es auch einige Museen über Ecuador im Allgemeinen, Touristenläden und Restaurants. Gleich neben dem Park befindet sich der Hauptsitz der Union Südamerikanischer Nationen, weshalb überall Flaggen der verschiedenen Länder Südamerikas wehen. Später gingen wir dann noch zum richtigen Ort, an dem es zwar keine Linie am Boden gibt, dafür aber eine Tafel, die die Koordinaten "00 00 00" markiert:

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Ankunft in der Mitte der Welt

Eine Reise wird besser in Freunden als in Meilen gemessen.

(Tim Cahill)

Der Anflug auf Quito war traumhaft! Von weitem sahen wir Vulkane, Berge und Seen. Ich realisierte gar nicht richtig, dass dies alles tatsächlich Ecuador war.

Xenia, Fatma, Rabea und ich (v. rechts) auf dem Weg nach Quito

Ein Mitarbeiter von ICYE Ecuador holte mich und die anderen drei Schweizerinnen am Flughafen ab und brachte uns mit einem kleinen Bus ins Einführungscamp. Wir mussten eine Stunde fahren und der Verkehr auf der Strasse war sehr kriminell. Die anderen Autos überholten uns rechts und links, fuhren zentimeternah auf und streiften uns beinahe. Anschnallen konnten wir uns natürlich nicht, da die Gurten entweder gar nicht vorhanden waren oder klemmten. Unsere Koffer waren im Kofferraum gestapelt und verhinderten jede Sicht nach hinten. Irgendwann lenkte unser Fahrer den Wagen auf den Pannenstreifen. Er versuchte uns auf Spanisch zu erklären was los war, doch wir verstanden kein Wort. Nach einigen Minuten kam sein Sohn mit einem anderen Auto und sagte uns auf Englisch, dass der kleine Bus komische Geräusche mache und wir umsteigen müssen. Wir Schweizerinnen mussten die ganze Zeit lachen, weil die Strassenverhältnisse in Ecuador so anders sind als zu Hause.

 

Im Camp angekommen trafen wir auf eine Finnin, die als einzige bereits dort war und lernten auch die Mitarbeiter von ICYE-Ecuador kennen. Wir wurden sehr herzlich empfangen, gingen aber früh schlafen. Mitten in der Nacht wurden wir von einem kleinen Erdbeben wachgerüttelt. Ich erschrak ein bisschen, doch wirklich überrascht war ich nicht. Erdbeben kommen in Ecuador häufig vor und ich werde mich daran gewöhnen.

 

Am nächsten Tag trudelten nach und nach die anderen Freiwilligen ein. Dreiviertel von allen sind Deutsche, daneben hat es auch Jugendliche aus Dänemark, Finnland, Österreich, Indien und den USA. Das Camp dauerte eine Woche und wir setzen uns durch Spiele und Diskussionen mit den Themen „Kulturschock“, „Sicherheit“ und „Konfliktlösung“ auseinander. Besonders freute ich mich, als Bernardo plötzlich im Camp auftauchte. Er ist Ecuadorianer und war letztes Jahr mit ICYE in der Schweiz, weshalb ich ihn bereits vor meiner Abreise kannte. Nun erfuhr ich, dass Bernardo während meiner Zeit in Ecuador mein Mentor (eine Art ICYE-Götti) sein wird. Das ist das Beste, was mir passieren konnte, da es einerseits mit ihm nie langweilig wird und er mich andererseits wie kein anderer versteht, wenn ich ihm erzähle, was mich in Ecuador, verglichen mit der Schweiz, fasziniert oder erschreckt.

 

Am letzten Tag kamen uns unsere Gastfamilien im Camp abholen. Für sie mussten wir eine Präsentation über unser Heimatland halten. Wir Schweizerinnen sprachen über Demokratie, die vier Landessprachen, Schokolade, Taschenmesser, Schweizer Franken, Skifahren und Roger Federer. Meine Gastfamilie kam zu dritt: Meine Gasteltern und Carlos, einer meiner Gastbrüder. Als wir einander schliesslich fanden, sagten sie mir, das sie sich sehr auf mich gefreut hätten und es für sie eine spannende Erfahrung sein würde, mich in ihrem Haus zu haben. Ich würde von ihnen lernen und sie von mir. Als wir bei ihnen zu Hause ankamen, war ich überrascht. Das Haus meiner Gastfamilie ist sehr viel grösser und moderner als unser Haus in der Schweiz. Ich habe hier sogar ein eigenes Badezimmer, das in mein Zimmer integriert ist – fast ein bisschen wie in einem Hotel.

Die nächsten zwei Wochen werde ich mit den anderen Volunteers einen Spanischkurs von ICYE besuchen. Carlos kam heute extra mit mir ins Stadtzentrum von Quito, um mir den Weg zu zeigen, den ich am Montag gehen muss. Mein zweiter Gastbruder Alejo lernte ich ein bisschen später kennen. Auch er ist sehr interessiert und da er ein bisschen Deutsch spricht, bat er mich, ihm die Sprache besser beizubringen. Beim Essen diskutierten meine beiden Gastbrüder, was sie mir in Ecuador alles zeigen möchten – den Markt, auf dem lebendige Tiere verkauft werden, die berühmte Schaukel in Baños, die Kirchen in Quito..

Mit meinen Gastbrüdern Alejo (links) und Carlos (rechts)

Ich freue mich auf die nächsten Tage, Wochen und Monate! Da ich hier eine stabile Internetverbindung habe, werdet ihr bald wieder von mir hören!

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Hinaus ins Leben - und in die grosse weite Welt

Darum muss ich jetzt los, ich muss zu anderen Orten,

ich will irgendwann sagen: "Aus mir ist was geworden."

Ich denke nie an gestern, nur an jetzt und an morgen,

ich laufe nicht mehr weg, nein, ich flüchte nach vorne.

(Julia Engelmann in "Flucht nach vorne")

In knapp vier Tagen sitze ich im Flugzeug, auf dem Weg in ein Land, über das ich so viel gelesen und gehört habe und trotzdem so wenig weiss! Ich freue mich auf den Moment, wenn ich am Flughafen in Madrid die Flugtafel mit der Aufschrift "Quito" sehe und realisiere, dass es endlich losgeht.

 

Bald lerne ich  meine Gastfamilie persönlich kennen. In den letzten Wochen habe ich viel mit meinem Gastbruder Carlos gechattet, zuerst auf Englisch und dann vermehrt auf Spanisch. Er hat mich immer wieder "kleine Schwester" genannt und ich glaube, er freut sich genauso auf meine Ankunft wie ich. Ich bin gespannt, wie die Familie wohnt, wo sie ihre sieben Hunde unterbringt und wie ihr Familienleben aussieht.

 

Ich freue mich auch, Bernardo wieder zu sehen. Kennengelernt habe ich ihn im letzten Frühling in der Schweiz, als er mit ICYE einen Sozialeinsatz in meinem Heimatland leistete. Vor ein paar Wochen ist er wieder nach Quito zurückgekehrt und ich werde ihn sicher in seinem Zuhause besuchen.

Zunächst bin ich aber gespannt auf die erste Woche, die ich im Einführungscamp von ICYE Ecuador verbringen werde. Ich freue mich, die anderen Freiwilligen kennenzulernen, die aus allen Ländern der Welt anreisen.

 

Natürlich ist es völlig normal, so kurz vor der Abreise auch mulmige Gefühle zu verspüren. Ich habe noch nie 17 Stunden in einem Flugzeug verbracht und es wird für mich das erste Mal sein, dass ich Europa verlasse. Zudem bin ich mir bewusst, dass ich 8 Monate lang in einem Land leben werde, in dem die Kriminalitätsrate viel höher ist als in der Schweiz. Ich werde abends nicht alleine unterwegs sein, keinen Schmuck tragen und mein Handy nicht in der Öffentlichkeit zücken dürfen.

 

Doch ich muss sagen, dass sich diese mulmigen Gedanken bei mir ziemlich in Grenzen halten. Wahrscheinlich werde ich erst viel später, wenn ich längst in Ecuador bin, von meinem eigenen Mut überrascht sein.

 

So, hiermit beende ich meinen letzten Blogeintrag aus der Schweiz.

Ich werde euch in Ecuador so gut es geht auf dem Laufenden halten!

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Meine Gastfamilie

Wir lernen die Menschen nicht kennen, wenn sie zu uns kommen.

Wir müssen zu ihnen gehen, um zu erfahren,

wie es mit ihnen steht.

(Johann Wolfgang von Goethe)

Es ist so weit! Eine Familie in Ecuador hat sich bereit erklärt, mich für 8 Monate bei sich aufzunehmen.

 

Mein Gastvater ist Carlos Guillermo (63) und meine Gastmutter Maria Elena (48). Ich habe auch zwei Gastbrüder, Alejo (24) und Carlos (24). Die beiden sind Zwillinge und zwei Jahre älter als ich.

 

Die Familie hat auch eine Tochter, Angélica (20). Angélica wird im August mit ICYE für ein Jahr in die Schweiz reisen. Ich werde also in Angélicas Zimmer wohnen und ihren Platz in der Familie einnehmen.

 

Zur Familie gehören auch sieben (!) Hunde und zwei Katzen. Die Hunde sind alles ehemalige Strassenhunde, die bei der Familie ein zu Hause gefunden haben. Ich freue mich wahnsinnig darüber, denn auch ich bin eine Hundenärrin!!

 

Angélica nahm vor kurzem Kontakt mit mir auf und schrieb mir, ihre Eltern und ihre Brüder würden sich schon jetzt sehr auf mich freuen - für sie alle würde es eine völlig neue, bereichernde Erfahrung sein! Es ist ein wahnsinnig schönes Gefühl zu wissen, dass ich bei einer mir noch unbekannten Familie am anderen Ende der Welt willkommen bin. :-)

 

Ich hatte mir so sehr gewünscht, bei einer "richtigen" Familie zu leben und Gastgeschwister zu haben. Nun bin ich sehr glücklich darüber, dass sich mein Wunsch erfüllt hat. So erhoffe ich mir, dass ich ab und zu etwas mit meinen Gastbrüdern unternehmen kann und ich durch sie viele Einheimische kennenlerne. :-)

 

Nun freue ich mich noch mehr auf meine Zeit in Ecuador!

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Der Countdown läuft

Ich durchbreche meinen Tellerrand,

lasse frischen Wind herein,

die Leute sagen, wenn ich will,

dann kann ich glücklich sein.

Ich will was draus machen,

dass ich mein eigenes Leben hab,

und alle Grenzen verschieben,

die es niemals gegeben hat.

(Julia Engelmann)

In zwei Monaten bin ich bereits in Ecuador! Nun gilt es, diese Woche noch die letzten Abschlussprüfungen der BMS hinter mich zu bringen und dann bin ich endlich frei - frei um richtig Spanisch zu lernen, den Papierkrieg mit dem Visum zu erledigen, abzuklären wie ich es mit der Bankkarte und dem Handy machen werde... Es gibt noch jede Menge zu tun!

 

Letzte Woche erfuhr ich, in welchem Projekt in Ecuador ich arbeiten werde. Ich musste ziemlich schmunzeln. Im Vorfeld hatten wir von ICYE ein Dossier mit allen Projekten in Ecuador erhalten, aus dem wir drei davon als "Wunschprojekte" angeben durften. Ich hatte damals durchgeblättert und bin auf ein Projekt mit Strassenkindern gestossen, das ich aus Neugier dick mit Leuchtstift angestrichen hatte. Danach hatte mich jedoch der Mut verlassen, ich hatte mir ziemlich viele Gedanken gemacht und war zum Schluss gekommen, dass ich bis jetzt noch nie mit dem Elend der 3. Welt konfrontiert war und es ja nicht gleich übertreiben musste. Schlussendlich schrieb ich zwei Schulen und einen Kindergarten auf die Liste. Nach einem Skype-Gespräch mit dem Partnerkomitee in Ecuador erfuhr ich mein Projekt: "Chicos de la calle - mi caleta". Es ist jenes Projekt, welches ich nicht auf die Liste schrieb, weil mir der Mut dazu gefehlt hatte.

 

Nun freue ich mich riesig auf die Herausforderung! Einerseits habe ich Respekt vor dem, was ich in Ecuador antreffen werde. Andererseits freue ich mich, dass ich helfen kann, Kindern ohne Lebensperspektive eine Zukunft zu schenken. Ich kann dazu beitragen, diese ungerechte Welt ein klein wenig zu verbessern. Ist es nicht das, was ich schon immer tun wollte? Natürlich ist es das. Ich bin richtig kribbelig und kann es kaum erwarten, endlich ins Flugzeug zu steigen.

 

An den Vorbereitungsseminaren von ICYE fand ich drei Gleichgesinnte - Fatma, Rabea und Xenia werden ihren Sozialeinsatz zur gleichen Zeit wie ich in Ecuador verbringen. Ich freue mich wahnsinnig, dass ich mich jetzt in der Vorbereitungsphase, aber auch später während dem Einsatz, mit ihnen austauschen kann. Wir werden auch alle vier gemeinsam von Zürich nach Quito fliegen. In der ersten Woche werden wir mit etwa 30 anderen Freiwilligen, die aus aller Welt anreisen, in ein Einführungscamp von ICYE Ecuador gehen. Dort werden wir Spanischlektionen erhalten und die ecuadorianische Kultur kennenlernen. Danach werden wir in unsere jeweiligen Gastfamilien und Projekte gebracht.

 

Ich hoffe die Zeit vergeht schnell, ich kann es kaum erwarten, bis endlich der 8. August da ist!

 

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