Hausbesuch ohne Erfolg

Reisen ist nicht immer schön.

Manchmal tut es weh, es bricht dir sogar das Herz.

Aber das ist okay. Die Reise ändert dich. Sie sollte dich ändern.

Sie hinterlässt Spuren in deiner Erinnerung, in deinem Bewusstsein, in deinem Herzen und auf deinem Körper.

Du nimmst etwas mit dir und lässt hoffentlich etwas Gutes zurück.

(Anthony Bourdain)

Gestern musste ich eine Stunde früher im Projekt sein, weil wieder ein Hausbesuch bei der Familie eines Kindes geplant war. Die Sozialarbeiterin und ich fuhren fast zwei Stunden mit dem Bus und mussten mehrmals umsteigen. Schliesslich kamen wir in einem ärmeren Viertel im Süden Quitos an. Diesmal erlaubte ich mir einige Fotos zu machen:

Es war abgemacht, dass uns das Kind bei der Busstation abholt und uns zum Haus begleitet. Doch es kam niemand, wir warteten eineinhalb Stunden vergebens. Ich wurde furchtbar müde und langweilte mich sehr. Irgendwann entschied die Sozialarbeiterin, dass wir auf eigene Faust das Haus aufsuchen. Wir fragten uns bei mehreren Leuten durch und irgendwann waren wir bei dem Haus, in dem die Familie wohnen sollte:

Wir klopften an die Tür und riefen den Namen des Kindes , doch es öffnete niemand. Das Haus war verlassen. Wir warteten nochmals eine halbe Stunde in der Hoffnung, dass doch noch jemand öffnen würde. Als dies nicht der Fall war, machten wir uns auf den Rückweg und fuhren den langen Weg zurück ins Projekt. Ich war ziemlich frustriert, denn wir hatten den ganzen Tag mit Busfahren und warten verbracht.

 

Als wir im "mi caleta" ankamen, waren die Kinder gerade bei den Hausaufgaben. Ich setzte mich zu ihnen und war froh, doch noch etwas Sinnvolles tun zu können. Die Kinder waren echt süss, viele winkten mir zu und riefen: "Ayúdame, ayúdame!" (Hilf mir, hilf mir!)

Manche brauchen aber jeweils gar nicht wirklich Hilfe, sie wollen einfach, dass sich jemand zu ihnen setzt und bei ihnen ist. Andere kommen, weil ihre Eltern keine Schulbildung haben und ihnen nicht helfen können. Dann ist das meine Aufgabe. Manchmal bin ich jedoch ebenfalls überfordert. Ein Mädchen hatte Hausaufgaben in "Sprache". Es war ein Satz gegeben (auf Spanisch natürlich), der je nach Kontext verschiedene Bedeutungen haben kann.  Die Aufgabe war es, alle Bedeutungen aufzuschreiben. Ich selbst war schon froh, dass ich eine einzige Bedeutung davon verstand. :-) Zum Glück ist Marco noch da, ein ecuadorianischer Volunteer. In solchen Situationen kann er besser helfen als ich.

Am Abend war ich ein bisschen frustriert, dass die Sozialarbeiterin und ich den ganzen Morgens vergebens unterwegs gewesen waren. Ein Mitarbeiter erklärte mir jedoch, dass einige Familien sich schämen, wenn jemand in ihr Haus kommt und sieht, in welchen Verhältnissen sie leben. Deshalb sind sie manchmal absichtlich nicht zu Hause, wenn ein Hausbesuch angekündigt ist. Dies gab mir sehr zu denken und ich fragte den Mitarbeiter, weshalb die Sozialarbeiter denn Hausbesuche machen, wenn die Familien dies teilweise gar nicht wollen. Er erklärte mir, dass es sehr wichtig ist, die Umstände und die Situation jedes Kindes genau zu kennen, wenn man nach nachhaltigen Lösungen suchen will. Dazu gehöre auch zu wissen, wie und wo die Kinder wohnen.

Obwohl ich in einem sehr kleinen Haus mit wenigen Kindern arbeite, kann ich hier sehr viel lernen. Für mein zukünftiges Studium und für mein Leben. Es gibt hier viele Situationen, die ich während einem Vorpraktikum in der Schweiz wohl nie angetroffen hätte. Dazu kommt, dass ich dies alles in einer Fremdsprache mache. Einer Fremdsprache, die ich vor meiner Abreise kaum beherrschte. Ab und zu denke ich, dass ich später einmal zurückblicken und stolz auf mich sein kann.  

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